Die Fracht

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Die Inhalte im grauen Kasten wurden von Recombined erstellt. Es handelt sich um Fanwork und nicht um offizielle Spielinhalte.

Die Fracht

KAPITEL III – Tuobe

Ein Schlachthaus – auf hoher See! Anders war es nicht zu umschreiben, was sich da Tuobe auf diesem treibenden Frachter an Anblick bot. Der Geissler blickte fassungslos über die groteske Szenerie. Der Frachter, von dem das Notsignal ausgegangen war, trieb führerlos über die Wellen. Als Damu war er als erstes auf das Schiff übergesetzt und hatte es inspiziert. Da keine Bedrohung mehr an Bord zu sein schien, hatte er den Rest des Rudels an Bord gewunken. Sein Chaga stand nun neben ihm und hatte den Helm und seine Ahnenmaske vom Kopf gezogen. Ratlos kratzte er sich am blankrasierten Haupt. „Was für ein Gemetzel.“, meinte er daher auch nur tonlos. Tuobe konnte bei diesem Anblick nur zustimmen. Die Leichen waren größtenteils ausgeweidet worden, nicht feinsäuberlich, sondern auf äußerst brutale Art und Weise. Aufgebogene Brustkörbe, entsetzliche klaffende Löcher auf Bauchhöhe. Einigen Leichen war gar die Wirbelsäule entfernt worden. Und überall hingen Innereien wie teils künstlerisch drapierte Girlanden an den Schiffsaufbauten. Das gesamte Deck war bräunlich-rot, von den blutigen Fäkalresten der herausgerissenen Gedärme. Ein elendiger Leichengeruch hing über dem gesamten Schiff. Eigentlich hatten sie es schon gerochen, bevor sie es gesehen hatten. Ein stabiler Magen war gut, aber keine Garantie seine letzte Mahlzeit bei diesem Gestank und diesen Bildern bei sich zu behalten. „Wir haben eine Überlebende!“, schrie einer der Dufus. Tuobe und sein Chaga eilten über das glitschige Deck zu der leblosen Frau, die gerade Wasser von einem der Geissler verabreicht bekam. Eine africanische Apokalyptikerin, Piratin. Keine Schrotterin, die potentiell zur Besatzung hätte gehören können. Also war das Schiff aufgebracht worden. Doch wo war das Korsarenschiff? Und was zum Henker war hier wirklich passiert? Tuobe ließ sich in die Hocke nieder und begutachtete die Frau. Sie war übel zugerichtet. Der Kiefer schien gebrochen, der rechte Arm hing zu locker in der Schulter, vermutlich ausgekugelt. Hämatome waren an den nicht durch Kleidung verdeckten Stellen zu beobachten, wie sie allmählich Färbung annahmen. Die Knie schienen auch übel einen mitbekommen zu haben. Sie würden die Frau tragen müssen. Ob innere Verletzungen vorlagen, war hier nicht auszumachen. Der fragende Blick eines Hondos traf den von Tuobe. „Was machen wir mit ihr?“, fragte der junge Geissler. „Mitnehmen.“ Der Befehlston seines Chagas war eindeutig. „Ich will verdammt nochmal wissen, was hier geschehen ist und wer dieses Schiff so entstellt hat.“ Dem pflichtete Tuobe innerlich bei. Wer auch immer dies getan hatte, er war skrupellos, gnadenlos und offenbar ohne jegliche Gewissenbisse. Und was Tuobe noch mehr erschaudern ließ, war das planvolle Vorgehen. Denn wozu eine Überlebende zurücklassen, wenn man nicht eine Botschaft übermitteln wollte?

KAPITEL IV – Erani

Die Geissler hatten ihr einen wirklich schwierigen Fall in die Hütte geschleppt. In Toulon überschlugen sich die Ereignisse und in ihrem kleinen Ahnentempel in Montpellier lag vor Erani nun eine vollkommen zerschlagene africanische Frau. „Piratin, wurde auf einem Geisterkahn aufgebracht.“ Verständnislos starrte Erani den Hondo an, der ihr diese Botschaft im Zusammenhang mit der Frau übermittelte. „Pflege sie gesund, Chaga Emo und Damu Tuobe werden sie befragen, sobald sie wieder sprechen kann.“ Und damit waren die Krieger verschwunden. Ein ganz kleiner Seufzer entfuhr ihr nur. Sie war Heilerin. Sie war gut. Und sie würde die Wunden dieser jungen Dame heilen. Auf den ersten Blick war sie noch recht jung, vielleicht etwas über Zwanzig Sommer. Es war erstaunlich, welche Selbstheilungskräfte der Körper entwickeln konnte, wenn man ihn ließ. Erani verdunkelte daher auch ihre Heilungshütte und richtete das Lager für die Geschundene so bequem her wie sie konnte. Sie entzündete Räucherstäbchen, die der Entspannung dienten und setzte einen Sud aus Tee und Kräutern auf, die sie der Verwundeten anreichen würde. Und dann begann sie leise zu singen, wie es ihr in der Heimat beigebracht worden war. Der körperlichen Heilung half das nicht und im Grunde war es mehr oder minder schierer Hokuspokus, den sie da mit ihrem Summen veranstaltete. Aber auf der einen Seite war ein gewisser Schein für die Ahnungslosen zu wahren und auf der anderen Seite vertrieb es ihr ein wenig die Zeit, während sie die teils monotonen Arbeitsschritte ihrer Zunft ausführte. Tage verstrichen, ohne das sich die arme Frau regte. Nach Eranis eingehender Untersuchung war festzuhalten, dass sie keine inneren Verletzungen wie eine gerissene Milz oder eine gequetschte Niere hatte. Aber offenbar hatte sie nicht nur einen wuchtigen Schlag gegen ihr Kinn bekommen, sondern auch auf den Brustkorb. Die Prellung sah in jedem Fall nach einer gebrochenen Rippe aus, die sich aber nicht in die Lunge oder das Herz gebohrt hatte. Bei ausreichender Ruhe und entsprechender Pflege würde die Frau in einigen Tagen wieder ansprechbar sein – was sie den beiden Geisslern, die im Auftrag des Chagas routinemäßige alle zwei Tage auch gebetsmühlenartig immer wieder und wieder vorbetete. Die ersten zaghaften Versuche eines Augenflatterns nahm Erani als erstes Anzeichen, dass die Frau wieder halbwegs in die bewusste Welt zurückkehrte. Die erste Zeit war sie mehr oder minder in einem komatösen Zustand verblieben. Der Körper schütze sich und den Geist, wie die Seele. Doch nun begann die Apokalyptikerin im Halbschlaf sinnlose Wortfetzen vor sich hinzustammeln. Erani konnte sich keinen Reim darauf machen. Während sie wieder in ihrem Mörser die zähen Kräuter zerstieß, lauschte sie einmal mehr auf das wirre Gewisper ihrer Patientin. Es war offenbar doch das stets gleiche Wort. Ein Wort, auf das sie sich keinen Reim machen konnte. Als die zwei jungen Geissler wieder in ihrer Hütte auftauchten, sagte sie ihnen, dass die Frau nur wirr vor sich hinbrabbelte. Doch dies war für die zwei Dufus Anlass genug, ihren Chaga zu holen. Dieser kam in Begleitung eines seiner Damus. Respektvoll hatten beide ihre Helme und Ahnenmasken abgenommen, als sie in die Hütte kamen und neigten ebenso respektvoll das Haupt vor Erani. „Sie spricht nicht zusammenhängend. Sie stammelt meist nur ein langes Wort. Ich kann mir darauf keinen Reim machen.“ Der Chaga und sein Damu beugten sich hinab zu der Apokalyptikerin. Die Augen der Frau fuhren wild unter den Liedern von Links nach Rechts. Der Körper erzittert, wie schön öfters, gleich würde ihr das Wort wieder herausplatzen. Halb öffneten sich die Augen, der Mund begann wage ein Wort zu formen. Und in einem rauchigen Fieberton gab sie es wieder von sich: „Maschinenhexe!“

KAPITEL I – Atok

Die See war unruhig. Wie auch er. Atok blickte an den Horizont und hielt seine Nase in den Wind. Zwar röhrte der Motor seines Frachters unablässig und er war auch angehalten worden, den schnellsten Kurs nach Franka zu nehmen. Nur war ihm keine Eskorte gestellt worden und das dunkle Dreieck, dass sich von Osten seiner Position näherte, beunruhigte ihn mehr und mehr. Mit jeder Meile und jeder Welle, hinter der das Segel sich seiner Position näherte. So dunkel wie das Segel des schnell aufholenden Katamarans war sicherlich auch die Mannschaft auf diesem schnittigen Segler. Sie waren nun auf der Höhe von Corpse. Ob es nur eine Patrouille der Korsaren war oder doch jemand seine Route verraten hatte, war für den alten Seemann egal. Pirat blieb Pirat und damit war ein Messer im Bauch ein Messer im Bauch. Stetig unschön, um es einmal dahin gesagt zu haben. „Was machen wir, wenn uns die Piraten kapern?“, fragte er die, die er nach Franka bringen sollte. Dieses kleine Mädchen, mit dieser unheimlichen Art. Er wusste nicht so recht, wen er mehr fürchten sollte – das Mädchen und die Fracht, die im Leib seines Schiffes schlummerte oder die sich nähernden Seeräuber. „Haltet einfach den Kurs. Der Rest ist entbehrlich.“ Atok zuckte mit der Augenbraue in die Höhe. Entbehrlich? Meinte sie damit die Crew, ihn, einfach den Rest dieses Schiffs? Oder was sollte dies heißen. Doch er konnte nicht weiter nachfragen, denn das gruselige Mädchen hatte ihm den Rücken zu gewandt und verschwand unter Deck. Verbissen starrte Atok dem Segler entgegen. Grimmig spuckte er über die Reling. Das würde kein gutes Ende nehmen, so oder so. Selbst nicht für die Apokalyptiker, die keine Ahnung hatten, was sie erwarten würde. Trotzdem hatte er das Notsignal schon beim ersten Anblick des schwarzen Segels abgesetzt. Auch wenn er jetzt keine Hoffnung mehr hatte, dass die Geissler ihnen allen würden helfen können.

KAPITEL II – Dama

Sie hatten rasch aufgeholt, die aufgewühlte See hatte gegen den Frachter gearbeitet und der peitschende Wind brachte den Katamaran schnell an sein Ziel. Koko, der alte Schlawiner, hatte es einfach meisterlich gewusst, die Chance wahrzunehmen, die sich bot. Der Albatross hatte am Horizont nur eine leichte Rauchwolke vom Petroabgas das Frachters ausgemacht und war aus der Formation der Segler ausgeschert. Auch wenn es hieß, die Schwarze Schar habe gesammelt nach Toulon aufzubrechen, hieß dies nicht, sie müssten auch alle zusammen dort ankommen. Zumindest hinderte keiner Kokos Schiff daran auszuscheren. Die ersten Salven waren über das Deck gefeuert worden und die africanische Besatzung dieses neolybischen Kleinfrachters war fast vor Schock gestorben. Kein verbissener Widerstand. Dama stand neben Koko auf dem Deck. Der alte Albatross stocherte gerade mit seinem Entermesser in der Schulter des Kapitäns herum, um die Zahlenkombination für das Vorhängeschloss am Laderaum zu erfahren. Doch der grimmig dreinblickende Seemann biss vehement die Zähne zusammen und gab keinen Ton von sich. Dama war schon beeindruckt. Aber sie schüttelte auch den Kopf aufgrund der Dummheit des Alten. Es würde ihm nix bringen, zäh zu schweigen. Mit einem Rasseln glitt die schwere Eisenkette, die die Luke des Laderaums bis eben verschlossen hielt, auf das Deck. Die beiden Möwen, die das Schloss bearbeitet hatten, sahen resigniert auf zu Ampulio, dem brachialen Dreckssack, der mit seinem beharrlichen Bearbeiten der Kette diese doch tatsächlich durchtrennt hatte. Dama zog triumphierend ihren Enterdolch und hielt in ihrer Rechten den Revolver bereit. Die Möwen rissen die Luke auf und ließen Koko, Dama und Ampulio den Vortritt in die Dunkelheit. Das Licht fiel diffus in den Raum und gab wenig aus der Dunkelheit preis. Das Schiff wogte unstet im rüden Wellengang hin und her, aber es war nichts zu hören. Die Ware war gut vertäut, wie Dama feststellte. Aber es waren nur wenige, sehr wenige Kisten auszumachen. Dem Grunde nach war der Frachtraum so gut wie leer. Sie hatte mit einem vollen Laderaum gerechnet, wie stets bei den Neolybiern. Die raffgierigen Händler verschwendeten keinen Laderaum – in dem Sinne, dass sie ihn nicht nutzten! Koko brachte es auf den Punkt: „Irgendwas stimmt hier doch nicht.“ Er spuckte auf das Deck. Ampulio ging voran in die Dunkelheit. „Haha, das ist ein Witz, oder?“ Seine hervorgezauberte Taschenlampe fiel mit ihrem Lichtkegel auf eine kleine Gestalt, die vollkommen verhüllt da stand. Langsam zog sie sich die Kapuze vom Kopf und blickte in den Lichtschein. Ein Mädchen! Ein kleines, zierliches, africanisches Mädchen, wie Dama erkannte. Dennoch hielt sie den Revolver auf das Kind gerichtet. Denn ihr siebter Sinn sagte ihr, dass da etwas gar nicht stimmte! „Komm her, meine Kleine, wir tun dir nix.“, meinte Koko mit einem so übertriebenen Grinsen, dass seine Möwen im Hintergrund in ein krächzendes Gelächter verfielen, dass der ganzen Aussage sämtliche Glaubwürdigkeit raubte. Doch das Mädchen stand nur da und schaute überhaupt nicht ängstlich, nicht einmal im Ansatz eingeschüchtert. Fast schon abschätzig musterte sie erst den hinter dem Lichtschein nach wie vor verharrenden Ampulio, ließ sich lange Zeit, bis ihr Blick hinüber zu Koko wanderte und nach einer quälend langen Zeit schließlich zu Dama hinüberglitt. „Ihr habt zwei Optionen“, erklang die Stimme des Mädchens, monoton, alt, rau, vollkommen unpassend zu dieser kleinen Gestalt. „Ihr verlasst dieses Schiff lebendig – oder ihr sterbt auf diesem Schiff.“ Ampulio stieß ein irritiertes Kichern aus, während Dama seitens Koko das Knirschen seiner Kiefer wahrnehmen konnte. Sie selber nahm in ihrer Bauchgegend nur wahr, dass irgendetwas an der Kleinen ihr die Gedärme zusammenzog – gerade bei der Tonlage ihrer Stimme! „Ich lasse mich doch hier nicht verarschen,“ grollte es aus Kokos Kehle hervor. Er ging strammen Schrittes auf die Kleine zu und wollte sie packen, als sich hinter dem Mädchen eine riesige Gestalt offenbarte. Ein Surren, Knurren und Sirren, gepaart mit einem brachialen Stampfen ging von dem Hünen aus, der leicht gebeugt zu stehen schien, da er sonst die Decke des Frachtraums durchbrochen hätte! Dama stierte vollkommen überrascht auf die Szenerie, die sich ihr im Halbdunkel bot und war nicht im Stande, den Abzug durchzudrücken. Um Kokos Hals hatte sich eine riesige, klobige Hand geschlossen, die ihm langsam, aber stetig die Luft abdrückte. Ampulio an ihrer Seite hatte die Taschenlampe fallen lassen und nestelte an seiner Harpunenarmbrust herum. Das Gurgeln und Zischen aus Kokos Kehle wurde immer weniger, bis es irgendwann erstarb und auch sein Leib keinerlei Regung mehr zeigte. „Ihr wählt also die zweite Option.“ Und mit einer wegwerfenden Geste deutete das Mädchen auf die übrigen Apokalyptiker und der gigantische Schemen trat nach vorne, schwang irgendeinen Gegenstand mit der nicht mit Kokos Leiche belasteten Hand, woraufhin Damas Sichtfeld in einem Sternenmeer explodierte. Sie war wie gelähmt und hatte nur noch ein Krachen, Stampfen und Knallen vernommen, gepaart mit den verzweifelten Schreien ihrer Kameraden und wohl auch einiger der Seeleute. Vollkommen benommen, wusste Dama nicht, ob und wie lange sie in Ohnmacht gefallen war. Ihr Kopf war nur ein einziger, gigantischer, pochender Schmerz. Der Lärm schien urplötzlich zu enden. Dama spürte nur, wie jemand ihren Kopf drehte und ganz nahe an ihrem Ohr befand sich auf einmal eine Geräuschquelle – die Stimme des Mädchens: „Sieh genau hin. Sieh sehr genau hin.“ Dama blinzelte die Schmerzenstränen weg und blickte auf das bizarre Schauspiel vor ihr. Das Deck war gesäumt von leblosen Körpern, ihre Kameraden und auch von vielen Seeleuten des Frachters. Der grobschlächtige Gigant stand dort, in einer weiten, ledernen Kutte. Ihr Blick war vernebelt und sie nahm alles nur schemenhaft war. Doch mit Entsetzen stellte sie fest, dass diese Monstrosität einen ihrer Kameraden in die Höhe hielt. „Merke dir, was hier geschehen ist und verbreite meine Botschaft, kleine Möwe.“, zischelte die Stimme des Mädchens. „Diener, reiße ihm Arme und Beine aus – aber langsam.“ Und der Koloss verrichtete sein blutiges Werk in quälender Langsamkeit, während sich Damas Sicht zeitweise klärte, alles in seiner brutalen, blutrünstigen Pracht vor ihr erstrahlte und sie dann wimmernd in eine weitere schmerzvolle Ohnmacht glitt. Nicht ohne, dass sich die Bilder auf ihrer Netzhaut einbrannten.


(Quelle: http://www.sixmorevodka.com/degenesis/forum/viewtopic.php?f=16&t=2450&sid=74ffb602ecc4b49b81dd48e61e8e8554)