Greiner-Zyklus I

Aus degenesis-wiki.de
Zur Navigation springen Zur Suche springen


- - - F A N W O R K - - -
Die Inhalte im grauen Kasten wurden von Ketzer erstellt. Es handelt sich um Fanwork und nicht um offizielle Spielinhalte.

„Name?“

„Greiner…Hagen“ „Rang?“ „Preservist.“ „Setzen sie sich, Preservist Greiner.“ Greiner nahm wie befohlen auf dem kalten Metallstuhl Platz, den man als Sitzgelegenheit vorbereitet hatte. Er legte seine Hände ineinander verschränkt auf den zu dem Stuhl passenden Metalltisch und blickte sich kurz um. Ein kahl weiß gefliester Raum, nicht größer als die kleine Stube, die er bewohnte, wenn er im Spital war. Nur schmale Oberlichter hätten etwas Tageslicht hereingelassen, wenn es denn Tag gewesen wäre. Nun jedoch war der Raum mit sterilem weißem Licht geflutet, das sich bleich und stechend auf den polierten Fliesen spiegelte. Eine Lampe war genau auf ihn gerichtet und verhinderte so, dass er mehr als nur die Umrisse der drei Personen erkennen konnte, die ihm gegenüber hinter einem großen metallenen Tisch in einer Reihe saßen. Als Pfleger hatte Greiner viel Zeit im Spital verbracht und erinnerte sich an diesen Raum. Damals war er als Teil der pathologischen Fakultät zu Forschungszwecken genutzt worden, sprich, man hatte hier den Pflegern und Famulanten das Sezieren von toten Körpern beigebracht. Warum der Raum nun abgesehen von den Anwesenden und der kargen Möblierung leer war, erschloss sich ihm nicht. „Ich nehme an, sie wissen, warum wir sie vorgeladen haben?“ Die raue Stimme des unbekannten Sprechers klang im Gegensatz zu der offensichtlich beabsichtigten Drohkulisse sehr väterlich und angenehm. Dieser Umstand machte Greiner jedoch nur um so unruhiger. „Franka…“ antwortete Greiner einsilbig, wie es seine Art war. Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren erschöpft und staubtrocken. „Ganz recht. Franka. Erstatten sie Bericht.“ Konnte man einen Befehl klingen lassen wie eine freundliche Bitte zum gemeinsamen Tee? Greiner war schon drauf und dran, auf seinen bereits verfassten schriftlichen Bericht hinzuweisen, doch irgend etwas sagte ihm, dass diese drei Unbekannten diesen bereits gelesen und für zu weit entfernt von der Wahrheit befunden haben mussten. Also zog er es vor, zu schweigen. Weder wusste er, mit wem er es hier zu tun noch was er zu befürchten hatte. Greiner war schon das Ein oder Andere Mal zu persönlichen Supervisionen, wie sie es nannten, vorgeladen worden, um sich für seine manchmal etwas radikale Art, die Dinge anzugehen, zu rechtfertigen. Doch diese Verhöre und Abmahnungen waren stets unter vier Augen mit seinem direkten Vorgesetzten abgelaufen. Diese Nachbesprechungen waren einer der Gründe, warum Greiner es ausdrücklich vermied, persönlich im Spital zu verweilen. Ihm eilte ein gewisser Ruf voraus, der ihn selbst im Kreise seiner Preservisten-Kollegen als radikal darstellte. Greiner sah sich hingegen selbst als Opportunisten und Pragmatiker. Es gab einen Standpunkt und ein Ziel, beides galt es durch eine direkte Linie zu verbinden. Schnell, effizient, wirksam. Das dezente Knarzen von dünnem Metall war zu hören als sich der Sprecher dieses mysteriösen Triumphirates nach vorne beugte um seinen Befehl körperlich zu untermauern. „Preservist Greiner…sie sind so störrisch wie das Pferd, das sie in Franka zu Tode geritten haben, so viel ist klar. Nur im Gegensatz zu ihren bisherigen Supervisionen kann ich ihnen sagen, dass wir uns davon weder aufbringen noch beeindrucken lassen werden.“

Die Stimme des unbekannten Sprechers klang fast schon freundlich, zumindest jedoch nicht so streng wie Greiner erwartet hätte. Wie auf einen unausgesprochenen Befehl hin öffnete der zweite Unbekannte, der zur Rechten des Sprechers saß, eine vor sich liegende Mappe und schob diese dem Sprecher hin. Dieser begann monoton zu lesen: „Hoch effizient, zielorientiert, psychisch wie physisch extrem belastbar…und so weiter und sofort. Ihre Akte, Greiner, ihre Personalakte. Das steht da alles drin!“ Greiner kannte seine Akte nur zu gut. Man lobte ihn darin als hoch effizienten Preservisten, einen strahlenden Paladin im Kampf gegen die Fäulnis, eine Lichtgestalt der Spitalier, Vorbild aller Famulanten und Pfleger. Ihm stieg die Galle hoch. Greiner hatte in seinen jüngeren Jahren einige große Erfolge gefeiert. Er hatte sich schnell von der Masse seiner Kollegen abgesetzt, hatte Aufträge erfolgreich ausgeführt, die andere für unmöglich ausführbar gehalten hatten. Dabei hatte er stets und bis ins Detail die Standards des Spitals in Sachen Hygienik, Ethik und Technik eingehalten. Er war der Preservist aus dem Lehrbuch…stolz, unerbittlich und kämpferisch. Schnell eilte ihm sein Ruf meilenweit voraus. Die Hälfte aller Türen stand ihm stets offen, die andere Hälfte wurde panisch verbarrikadiert, wenn sich der „Neue“ ankündigte. Und das Spital hatte dies zu nutzen gewusst. Man hatte ihn zur Werbefigur gemacht, um neues Personal zu beeindrucken und die heroischen Taten des Preservisten-Standes darzustellen. Und Greiner war darauf reingefallen. Er hatte Vorlesungen gehalten, in denen er von seinen Reisen berichtete, Trophäen seiner Kämpfe eingelegt in Formaldehyd präsentierte, kurz, er hatte dem Spital zu Heldenglanz und Glorie verholfen. Und dann hatte man ihn auf Vashax angesetzt… „Diese Akte, Greiner, ist nicht mehr als ein wertloses Werbeplakat, noch dazu arg in die Jahre gekommen und an den Rändern etwas ausgefranst. Und doch erspart sich das Spital die Schande, die Akte um die Wahrheit zu ergänzen.“ Greiner blickte auf und versuche, den Schattenriss vor sich zu fixieren. Dass man ihn eine Schande für das Spital nannte, störte ihn nicht. Das war er durchaus gewohnt, auch wenn selten jemand den Mumm gehabt hatte, ihm dies von Angesicht zu Angesicht zu sagen. Der unbekannte Sprecher hatte jedoch von `dem Spital` gesprochen, so als gehöre er selbst nicht dazu. Greiner war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass dieses geheimnisvolle Gremium Teil des Spitals war. Hatte er sich womöglich geirrt? Mit wem hatte er es hier zu tun? Langsam kroch die Neugier unter die warme Decke, welche die fatalistische Gleichgültigkeit über seinen Geist ausgebreitet hatte. Seine Reaktion war seinem geheimnisvollen gegenüber wohl nicht verborgen geblieben. Dieser gab ein leises Kichern von sich, das in diesem Raum und unter diesen Umständen eher fehl am Platz wirkte. Er klappte die Akte energisch zu und schob diese wieder der Gestalt zu seiner Rechten hinüber. „Ganz ehrlich? Einst das Aushängeschild des Spitals, zu Großem berufen. Und jetzt? Heute raufen sich die Obersten im Spital die Haare und fragen sich, ob sie noch tragbar sind. Sie sind wie eine Chemotherapie…das Geschwür zerstören sie, ja. Aber zu welchem Preis? Sie vernichten so viel Gewebe dass eine Kosten-Nutzen-Rechnung nur schwerlich sinnvoll ist.“ Irrte sich Greiner oder schwang in der Stimme des Sprechers Belustigung mit? „Niemand kann und will ihre Erfolge im Kampf gegen die Fäulnis verleugnen, einzig die Mittel…ihre Vorgehensweise rauben diesen Leuten den Schlaf.“

Diesen Leuten…also gehörte der Sprecher nicht zur Führungsriege des Spitals. Das war insofern interessant, als dass er für diesen Umstand nur all zu gut in die Gedankengänge einiger sehr mächtiger und einflussreicher Menschen eingeweiht war. Greiner machte sich eine geistige Notiz, äußerte sich jedoch nicht weiter dazu. „Franka hat letztendlich das Fass zum überlaufen gebracht, wie man so schön sagt. Laut den Aufzeichnungen hatten sie den Auftrag, Kontakt zu einer Zelle der Resistánce herzustellen, die einen Absonderlichen, der sich Darien nannte, observierte. Ist das soweit korrekt, Preservist Greiner?“ „Korrekt.“ antwortete der Angesprochene knapp. „Was war der Zweck dieser Kontaktaufnahme? Waren sie in die konkreten Pläne eingeweiht?“ Hier begann es also, das Verhör. So weit so bekannt. Trotzdem nagte die Unruhe wie eine Ratte an seinen Eingeweiden. „Das Objekt, Darien, hatte begonnen, sich expansionistisch zu verhalten. Es hatte seine Drohnen weit über die üblichen Grenzen seines Einflussgebietes hinaus gesandt. Die Drohnen hatten begonnen, neue Schlote zu errichten. Die neuen Gebiete drohten, strategisch wichtige Versorgungslinien in den Süden zu blockieren. Die Resistánce sah sich wohl gezwungen, tätig zu werden, hatte jedoch in einem ersten, recht ungeschickten Vorstoß etliche Kämpfer an den Absonderlichen verloren. Um eine weitere Expansion des Absonderlichen zu verhindern ersuchte man das Spital um Hilfe. Ich besitze ausreichend Erfahrung im Umgang mit dem pheromantischen Raptus, insofern ergab es Sinn, mich zu schicken.“ Abermals beugte sich der Unbekannte nach vorne und faltete die Hände: „Greiner…soweit so gut. Wie sie das so erzählen klingt das ja gerade nach einem mustergültig verlaufenen Einsatz. Und hier liegt das Problem, nicht wahr? Wollte ich mir ihre Geschichte nämlich von einem der Resistánce-Kämpfer bestätigen lassen, müsste ich mir dessen Einzelteile erst einmal zusammen suchen. Wenn denn überhaupt noch etwas übrig ist.“ Da war sie wieder, diese Belustigung, dieser schalkhafte Einschlag in der Stimme. Man konnte fast annehmen, es bereite diesem Mann spitzbübische Freude, die harten Fakten dieses Massakers aufzuzählen. „In der Evaluation ihres Einsatzes bin ich über die Zahl Einhundertdreiundfünfzig gestolpert. Wenn ich mich recht entsinne ist das die Zahl an Menschenleben, die ausgelöscht wurde, als sie ihren Auftrag ausführten. Getötete Drohnen nicht mit eingerechnet.“ Greiner räusperte sich mit vorgehaltener Faust: „Hundertsiebenundfünfzig.“ Der Unbekannte schien kurz zu stocken und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Einhundertsiebenundfünfzig Seelen, dazu noch unzählige Drohnen und ein riesiger Haufen Asche und Schlacke, der einmal ein Dorf war. Selbst für einen Preservisten ihrer Reputation ist das extrem. Waren diese Maßnahmen notwendig?“ Greiner starrte kurz ins Leere, als Bilder vor seinem geistigen Auge vorbeizuckten wie Fliegen, die zu nah ans Feuer geflogen waren und sich die Flügel zerschmolzen hatten. Dann gewann sein Blick wieder an Fokus und er lehnte sich ebenfalls in seinem Metallstuhl zurück. „Die Gerade ist die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten. Ist es notwendig, zwei Punkte immer mit einer Geraden zu verbinden? Nein, ist es nicht. Aber es spart Zeit. In Franka ist etwas im Gange, die Zeichen stehen auf Sturm. In der Resistánce brodelt es und es riecht nach Krieg. Dieser Auftrag hatte das Potential, mich und damit das Spital in einen Strudel hineinzuziehen, aus dem wir schadfrei nicht mehr heraus gekommen wären.“ Im grellen Gegenlicht war ein leichtes Nicken zu erkennen. „ Preservist Greiner, die politischen Umstände in Franka sind für mich weder von Interesse noch Gegenstand dieses Gespräches. Ich habe eine mehr oder weniger einfache Frage an sie: Haben sie, um ihren Auftrag auszuführen und aus eigenem Ermessen, ein komplettes Dorf inklusive einhundertvier…einhundertsiebenundfünfzig Männern, Frauen und wahrscheinlich auch Kindern zu Asche verbrannt?“ „Ja“ Eine seltsame Ruhe kehrte in den Raum ein, die jedoch nicht den Eindruck erweckte, auf Schock oder Entsetzen zu basieren. Viel mehr schienen die drei Anwesenden kurz über das gesagte nachzudenken. Der bisherige Sprecher legte die Fingerspitzen aneinander und ließ die Hände auf dem Tisch vor sich ruhen. „Preservist Greiner…wir haben einen Auftrag für sie.“


(Quelle: aus dem alten Degenesis-Forum)