Namra-Zyklus V

Aus degenesis-wiki.de
Zur Navigation springen Zur Suche springen


- - - F A N W O R K - - -
Die Inhalte im grauen Kasten wurden von Gideon erstellt. Es handelt sich um Fanwork und nicht um offizielle Spielinhalte.

Die Nussbäume rascheln im Wind. Namra drückt die Erde mit der Hand etwas fester, richtet sich dann auf. Mes steht neben ihm, still. Ein friedlicher Duft liegt in der Luft, die sanft durch die Äste streicht und lange, seichte Wellen auf den See zeichnet. Die Sonnenstrahlen tanzen auf der Wasseroberfläche. Mes’ Haut glänzt vom Öl, das sie sich in Haut und Haare massiert hat. Eine Kreation Sabas. Flüssiges Andenken. Der See ist eine Scheibe aus glitzerndem Gold. Der Moment scheint endlos zu reichen. Kostbarer Friede, der den Verstand zur Ruhe kommen lässt. Die Blutsteine fühlen sich schwer an, rollen träge in der Handfläche umher. Wortlos gehen die beiden nebeneinander her, als sie dem See den Rücken kehren. Sie hätten gern mehr für Saba getan, aber ihnen bleibt keine andere Wahl, sie können unmöglich bleiben. Die Vorräte werden nicht mehr lange reichen, keine Zeit für Rituale. Abschied hängt in der Luft. Abschied von Saba, Abschied vom Nil.

Mes war bei der Nachhut gewesen, hätte am Ende der Sphingenallee auf Seka und Saba warten sollen, aber eine üble Vorahnung hatte sie zurück zur Tempelhalle geführt. Wohin der große Rest weitergereist war, konnte sie nicht sagen. Sethos hatte einen raschen Abzug befohlen, alles, was irgendwie transportabel war, hatten sie mitgenommen, selbst die Generatoren waren abmontiert worden. Die ersten hatten bereits zwei Tage nach Beginn von Namras Quarantäne das Lager abgebrochen, der Rest folgte in den nächsten Tagen. Saba blieb zurück, wollte um Namras Leben kämpfen, nicht einfach aufgeben. Ohne Erfolg. Sethos ließ ihr bis zum Ende des Monats, um sich um Namra zu kümmern, hatte sich regelmäßig bei ihr erkundigt. Dann war auch er abgereist und hatte Namras persönliche Habe mitgenommen. Ein Sichelschwert für einen Toten wäre reine Verschwendung. Mit ihr war nur Seka geblieben, der sie dann begleiten und mit ihr Mes an der Sphingenallee treffen sollte. Mes hatte ihre Freundin nicht alleine zurücklassen wollen. Aber alles war anders gekommen. Alle drei waren gestorben und Karnak und alles damit Verbundene läge bald hinter ihnen.


Sie haben alles, was an brauchbarem Material zu finden ist, im Schatten des großen Pylonenbogens am Eingang der Tempelanlage gesammelt. Drei Rucksäcke, Reserven für drei Personen, die etwa eine Woche reichen. Schweigend stellt Mes den dritten Rucksack dazu, fährt mit den Fingern über die Schlaufe am oberen Ende. “Wir müssen ihrer Familie Nachricht bringen.” sagt sie kaum hörbar. Weder sie noch Namra haben das große Bedürfnis, Sethos und den Anderen hinterherzujagen. Was würde es schon nutzen? Sie sind auf sich allein gestellt und ohne Totenführer scheint die Reise den Nil entlang Richtung Dhoruba reiner Wahnsinn. Sie müssen die Psychovoren verlassen - und zwar so schnell wie möglich. Namra fühlt, dass er unerwünscht ist. Alles um sie herum schreit ihnen förmlich zu, sie sollen gehen. Beide fühlen sich wohler, das östliche Nilufer hinter sich zu lassen. Einfach nur fort. Ihr Ziel steht fest, sie würden gen Westen reisen, den Strahlen der aufgehenden Sonne folgen. Wenn diese doch nur wieder zu sehen wäre. Am Morgen ihrer Abreise ist der Himmel düster, Regenwolken hängen über ihnen, der Wind zerrt an ihren Gewändern. Das Wasser rauscht zur Erde, läuft über den Sandstein. Einen Moment später sind die Stufen zur Halle bereits gereinigt, alle Zeugen der Tragödie fortgeschwemmt oder in dunkle Fugen zwischen den Steinen zurückgedrängt. Ein letzter Blick, während die Erschöpfung bereits in ihre Glieder kriecht. Namra fühlt sich wie erschlagen. Noch immer prickeln seine Handflächen. Sein Scheitel schmerzt, der Rücken ächzt, wie unter gewaltigen Lasten. Der Nabel zittert. Sie bahnen sich einen Weg zur Stelle, an der Namra vor Wochen mit Antef angelegt hatte. Aber ein gewaltiger Moloch versperrt den Weg, hat alles in seiner Umgebung verschlungen. Der Nil ist über die Ufer getreten, rauscht an ihnen vorbei. Die Uferbänke sind längst von ihm verschluckt worden, aber noch immer giert er nach mehr. Der Himmel trägt sein schönstes Grau, fächert Regenschauer um Regenschauer zur Erde. Die Tropfen trommeln auf ihre Kleidung, auf ihre Köpfe, sie sind durchnässt, kaum dass sie Karnak verlassen haben. Mes’ schwarzes Haar klebt an ihrem verbissenen Gesicht, während sie schweigend auf die brüllenden Wassermassen vor ihnen starren. Namra hat eine Plane über sich geworfen, sie mit Seilresten um sich geschnürt, aber das Wasser läuft ihm vom Kopf hinab in den Kragen. Er trägt zwei Rucksäcke, den einen hat er sich an die Brust geschnallt. Sie teilen sich auf, Mes flussaufwärts, Namra flussabwärts. Sie suchen nach etwas, mit dem sie den wahnsinnigen Ritt wagen können. Feuchte Erde schmatzt unter Namras Füßen, während er am Ufer entlang schreitet. Er blinzelt. Etwas hat sich vor ihm bewegt. Der Wind peitscht ihm die Regentropfen um die Ohren, neben ihm wälzt sich der Nil in seinem Bett wie im Fiebertraum. Etwas tänzelt knapp fünfzig Schritt vor ihm auf den Wellen, schiebt sich schüchtern hinter einer kleinen Felsformation oder einem Stück Mauer hervor, nur um dann in wieder in sein Versteck zurück zu hasten. Namra beschleunigt seine Schritte. Er umrundet den Felsvorsprung und erkennt ein Boot, das jemand dort befestigt hatte, halb abgeschirmt von den Wassermassen. Sein Blick folgt der Kette am Bug zur Felswand, an der es gehalten wird. Seine Augen weiten sich. Im Wasser vor ihm, direkt am tänzelnden Boot, steht eine Frau. Ihre Hand hat sie auf den Haken gelegt, an dem die Kette hängt. Trotz des Regens und der reißenden Wasser steht sie ruhig neben dem Boot, scheint auf ihn gewartet zu haben. Sie lächelt, in ihren Augen glänzt Sternenlicht. Namra erstarrt. Keine Reflexe lassen ihn zucken. Aus irgendeinem Grund hat er beinahe erwartet, sie hier zu sehen. Er vertraut ihr - instinktiv. Mit einer Hand deutet sie auf das Boot, mit der anderen Richtung Westufer. Wieder lächelt sie und nickt. Mit langsamen, gleitenden Bewegungen watet sie die wenigen Schritte zu ihm, nimmt seine Hand und streicht mit ihren Fingern über die wunden Stellen, die unter Leinenbandagen und der Plane versteckt sind. Namra legt den Kopf in den Nacken, während mütterliche Wärme seinen Arm entlang kitzelt. Wir alle sind nur Sternenstaub. Der Regen streichelt zärtlich sein Gesicht, rinnt von den Augen über seine Wangen, tropft vom Kinn in seinen Kragen. Er fühlt, wie sie ihre Finger von seinem Arm löst, kann ihre Sternenaugen erahnen, wie sie auf ihn blicken. Langsam schlägt er die Lider zurück. Vor ihm tänzelt das Boot an der Kette, das Wasser umspült kühlend seine Knöchel. Die Frau mit den Sternenaugen aber ist verschwunden.


Feuer prasselt. Namra schiebt einen Ast auf die Flammen, Funken stieben in den Nachthimmel. Die Psychovoren, der Nil, der Tempel, all das liegt nun bereits Tage hinter ihnen. Er kann sich kaum erinnern, wie sie den reißenden Fluss hinter sich gebracht haben, wie sie beim Versuch, ihn zu überqueren, nicht ertrunken sind. Einzelne Erinnerungsfetzen brüllender Wassermassen, peitschender Wind und Regen um sie herum. Der Geschmack von Schlamm und Erde im Mund, als der Kopf unter Wasser gedrückt wird. Der verzweifelte Griff ans rettende Ufer, das sie beide mit vollen Händen ergreifen, sich ächzend, hustend und speiend aus dem Wasser ziehen. Wie sich Mes weigert, die nassen Kleider abzulegen, sie sich an eine kahle Ruinenmauer kauern und versuchen sich zu wärmen. Die Gedanken an das Geschehene begleiten sie. Dann erneut Aufbruch, eine Reise ins Ungewisse. Um sie herum herrscht nun der Dschungel, üppiges, saftiges Grün und feuchtes Braun, wohin das Auge blickt. Die Nacht ist erfüllt von Tierrufen. Noch immer regnet es, prasselt auf die Wipfel der Bäume über ihnen. Drip, drip, drip - tropft es beständig von den Ästen. “Ziegenscheiße.” Mes sitzt neben Namra, blickt in die Flammen. Namra schnauft. “Du schweigst seit Tagen und das erste Wort, das du raus bekommst, ist Ziegenscheiße?” Er schnaubte belustigt und schüttelt den Kopf. Mes kann ein Grinsen nicht unterdrücken. “Es ist das einzige, was mir zu dieser ganzen Geschichte einfällt.” - “Da hast du wohl recht.” Für einen Moment schweigen beide. Namra bricht die Stille. “Weißt du noch.. Deine Bemerkung zu den gestreiften Pferden? Und schwarzen oder weißen Ringen?” - “Ja.” - “Ich…” Namra reibt sich das Kinn. “Ich habe keine Ahnung von welchen Pferden du sprichst. Ich hab schwarze und weiße Pferde gesehen, braune, rote, gefleckte und gepunktete. Aber noch niemals welche mit Streifen.” Mes blickt ihn verdattert an, dann fängt sie an zu lachen. “Du - du willst mir sagen, du hast noch nie ein Zebra gesehen?” Sie krümmt sich vor Lachen, kann sich kaum halten. “Nein, wirklich nicht!” Namra grinst. Es scheint so, als wäre die Welt wieder halbwegs in Ordnung, seit sie die Psychovoren verlassen haben. Als ob sie alles Schlechte in Karnak zurück ließen. Er spielt mit einem Stück Zweig am Boden, zerbricht es mit den Fingern in immer kleinere Teile. “Weißt du, wo wir Sabas Familie finden?” Mes hat sich wieder gefangen, verzieht das Gesicht. “Ich weiß, dass sie Freunde in Qabis hat. Hatte.” Sie beißt sich auf die Lippe. “Sie hat selten von ihrer Familie gesprochen, aber vielleicht kann uns dort jemand weiterhelfen.” “Einverstanden, Qabis also. Wenn es dir nichts ausmacht, dann könnten wir auf dem Weg dorthin in meinem Heimatort Halt machen. Qara liegt auf dem Weg. Wir könnten erst Qara ansteuern und dann von dort aus entweder über Zillah und Tripol bis Qabis reisen. Ich erinnere mich daran, dass es dort eine Straße gibt, der man folgen kann, zumindest war das früher so. Oder wir steuern gen Norden und nehmen von Bengasi aus ein Schiff. Das ist vermutlich schneller, aber kostspieliger. Außerdem ist der Weg nach Bengasi eine unerträgliche Quälerei.” “Ich war noch nie in Bengasi - ist das nicht dort, wo diese sonderbaren Dinger in der Luft hängen? Dann vielleicht lieber über den Landweg. Aber ja, natürlich können wir in Qara Halt machen. Dann kannst du mich deinen Eltern vorstellen.” Sie feixt. Namra schlägt die Hände vors Gesicht. “Mein schlimmster Albtraum. Allerdings kann ich dich nur meiner Mutter vorstellen. Mein Vater starb kurz vor meiner Geburt. Meine Mutter muss dir also reichen. Die Ahnen haben schon immer ihre Scherze mit meiner Familie getrieben.” Mes senkt entschuldigend den Blick. “Tut mir leid, ich wollte nicht..” - Namra winkt ab. “Ah, schon gut. Konntest du ja nicht wissen.” Sie blickt ihn neugierig an. “Hast du Geschwister?” Namra nickt mehrmals. “Ja, eine jüngere Schwester, Tia. Ich hatte auch eine ältere Schwester, aber sie starb, bevor ich zwei Jahre alt war. Und du?” - “Mehrere Brüder. Alles Idioten.” Sie schüttelt den Kopf, als ob sie ihr Pech nicht fassen könne. “Weißt du, Namra, ich hätte nicht gedacht, dass mir das über die Lippen kommt, aber ich bin dir wirklich dankbar. Mit dir ist das Ganze nicht so schlimm.” “Danke.. ich wünschte nur, ich hätte irgendetwas tun können. Seit mich dieser Jehammedaner abgestochen hat, scheint mir alles zu entgleiten. Vor einem halben Jahr noch hätte ich nicht gezögert… gezögert, wie ein unerfahrener Junge. Ich hab’ das Gefühl, alles verlernt zu haben. Als ob ich neu Laufen, Essen und Trinken, Springen und Sprechen lernen müsste.” Mes mustert ihn irritiert. “Was meinst du mit ‘gezögert’?” Namra fährt sich mit der Hand über den Mund. “Ich habe Saba schreien gehört, bin auf sie zugelaufen und dann stehen geblieben. Ich weiß gar nicht warum. Wäre ich nicht stehen geblieben, hätte ich nicht gezögert, dann wäre Saba vielleicht noch hier. Ich bin kein Löwe. Ich bin ein Kind.” Er fährt über die Stelle seines Bauchnabels. “Es scheint, als wäre ich nicht einmal mehr ein Schakal. Kein Ahnenflüstern seit Karnak, ständig hatte ich das Gefühl, dass alle Dornen in der Umgebung auf uns ausgerichtet wären. Wir sind nicht willkommen.” Mes schweigt erst und meint dann aber: “Ich weiß, was du meinst. Das Gefühl, hier nicht willkommen zu sein, hatte ich schon immer. Ob das damit zusammenhängt, dass das nicht Kairo ist?” Namra fährt fort, er muss es aussprechen, um die Dinge real werden zu lassen, die ihm widerfahren sind. “Die Welt steht auf dem Kopf. Mein Verstand spielt verrückt. Mein Körper fühlt sich an wie neugeboren, rein, sauber, aber auch hilflos und ungewohnt.” Namra streicht sich über die Stelle an seinem Arm, an der in Karnak noch das Fleisch in Fetzen herab gehangen hatte. Keine Spur von Narbengewebe war zu sehen, die Haut weich und die Stelle vollends verheilt. “Dann noch die Visionen. Ich glaube, ich werde wahnsinnig.” Mes schaubt. “Ein fairer Preis, meinst du nicht? Du kannst deine Haut nachwachsen lassen. Einfach so.” Sie schnippt mit den Fingern. “Du warst tot. Dein Herz hat aufgehört zu schlagen. Und trotzdem stapfst du durch die Gegend, als ob es das normalste der Welt wäre. Visionen hin oder her, ich kenne so manchen, der seine Seele dafür geben würde.” Energisch schüttelt sie den Kopf, greift in eine Tasche und zieht etwas golden funkelndes heraus. “Zeig etwas Demut. Oder Dankbarkeit. Nenn’ es wie du willst. Nicht jeder bekommt so eine Gelegenheit!” Sie hält die Finger in den Schein des Feuers. Zwischen ihren Fingerspitzen glänzen zwei Vollmondohrringe.

Namra und Mes kommen verhältnismäßig gut voran. Noch immer tropft und regnet es, aber glücklicherweise ist das Buschwerk nicht dicht genug, um ihnen ihren Weg zu versperren. Die Reise verläuft größtenteils ereignislos, entgegen ihrer Erwartungen meiden die meisten Tiere sie. Namra schreibt das auch dem sonderbaren, stinkenden Öl zu, das Mes aus dem dritten Rucksack holt und mit dem sie sich einreiben. Sie kann nicht erklären, wie das Öl funktioniert, nur, dass Saba viele Fläschchen herstellte, als sie im Land der Krähe waren - vermutlich eine eigene Kreation. Noch immer befinden sich mehrere davon im Rucksack, unterschiedlich beschriftet, aber unlesbar, dafür mit verschiedenfarbigen Korken verschlossen, andere bereits geöffnet und leer. Grün gegen Tiere. Schwarz gegen die Trauer. Rot gegen das Leben. Als sie nach vielen Tagen gegen Mittag den Dschungel verlassen, stehen sie am Rand einer abgelegenen Plantage, die ihre besten Tage bereits einige Generationen zuvor verlebt hatte. Ackerflächen breiten sich vor ihnen aus, zu ihrer Linken reihen sich Obstbäume aneinander. Eine Harke liegt achtlos zurückgelassen halb in einer Furche, in der das Regenwasser steht. In der Ferne sind Häuser zu erkennen. Während die beiden sich den Bauten nähern, lassen sie den Blick kreisen. “Niemand ist hier..” flüstert Mes. “Sollten hier nicht Arbeiter und Sklaven herumlaufen? Die Felder und Bäume sehen nicht verwahrlost aus..” Namra hat auf ihren fragenden Blick nur schlechte Antworten parat. “Ich denke schon.. mit Landwirtschaft konnte ich nie etwas anfangen.” Er verzieht den Mund. “Natürlich.” gibt Mes spöttisch zurück. “Am besten, wir schauen uns da mal um.” Sie deutet auf eines der Häuser, das deutlich größer und prächtiger aussieht, als die umstehenden. Namra pult mit dem Finger im Ohr. Alles hört sich so dumpf an, hat er Wasser im Ohr? Am Rand der Felder reihen sich Rosenbüsche, Blumenbeete und Zierpflanzen in Tonkübeln aneinander. Die Pflanzen haben die Häupter gesenkt, manche sind vom Regen so verdroschen worden, dass sie ihre erschöpften, farbigen Kronen kaum über den Kübelrand heben können.

Mes fasst Namra am Arm, deutet wortlos auf die Lücke zwischen zwei ermatteten Rosensträuchern. Unter dem Grün ragt ein Paar Sandalen tragende Füße hervor. Rote Schlieren zeichnen die sonnengebräunten Waden eines Weißen nach, in kleinen Pfützen steht roter Saft, den die Erde nicht aufnehmen konnte. In Rinnsalen läuft er aus dem Beet, zieht eine blühende Spur über den Weg aus weißen Steinfliesen zwischen den Beeten. Namra kniet nieder, legt die Hand auf einen der Füße. Warm. Der mittlerweile nur noch schwache Regen wird von einem Ruf durchschnitten. “Höher! Höher!” Geduckt huschen Namra und Mes zur nächsten Häuserecke, spähen auf einen Innenhof. Eine Gruppe Männer und Frauen in schlechter Kleidung steht dort, ein Seil in den Händen, während sie jemanden an einem Balken, der aus einem der oberen Fenster ragt, nach oben ziehen. Die Beine strampeln, zappeln hilflos in der Luft. Die Hände sind krampfhaft um die Schlinge am Hals geschlossen. Bei jedem verzweifelten Tritt prasselt goldener Regen nach unten, doch niemand macht Anstalten, die Münzen oder anderes Kleinod vom Boden aufzulesen. Stattdessen treibt eine Frau sie nur weiter an: “Höher! Ihr sollt ihn höher ziehen! Ja.. so ist’s gut! Na, wie gefällt dir das, du wertloses Stück Abschaum?! Meinetwegen kannst du so viel Gold scheißen, wie du willst, das hilft dir jetzt auch nicht mehr! Strampel ruhig weiter, vielleicht reißt das Seil ja und du brichst dir beim Fall auch noch was!” Sie wirft den Kopf zurück, lacht kehlig und spuckt aus. “Wir müssen etwas tun!” flüstert Namra hektisch, Mes schüttelt den Kopf, legt die Hand auf seinen Unterarm. “Nein, Namra! Das sind acht oder neun! Wir haben nichts dabei außer ein paar alten Messern! Lass uns jetzt keine Dummheiten machen und verschwinden, solange wir noch können!” Sie zieht an seinem Ärmel. “Iiiich fürchte, dafüüüür ist eees jetzt leiiiiiider zu spääät.” krächzt eine Stimme hinter ihnen. Jemand drückt Namra etwas Spitzes in den Rücken. “Looos, vorwäääärts. Auf den Hooof.”Die Stimme spricht seltsam gedehnt, zieht die Laute sonderbar in die Länge. Namra spürt einen sanften Druck im Rücken und geht vorwärts. Mes rollt vorwurfsvoll mit den Augen. “Na toll. Du bist die schlechteste Sichel, die ich kenne.”

Als sie zwischen den Häusern heraustreten, befestigt einer der Männer und Frauen das Seil gerade um eine der Steinsäulen, die zur Dekoration hier und da aus einem Beet ragen und die den ganzen, größtenteils marmorierten, Innenhof säumen. Von einigen Häuserwänden läuft Blut. Ein Geißler mit blauen UAO Helm lehnt am Fuß einer Säule, die Maske liegt zwischen den Blüten eines Blumentopfs daneben. Jemand hat einen Spaten durch sein Gesicht gerammt, der Griff ragt schräg aus dem Schädel. Um ihn herum zwei weitere Leichen in Leinenkleidern, eine Frau mit verdrehtem Kopf, die mit blauen Augen vor sich hinstarrt. Auch zwei andere Geißler hat es erwischt. Einer liegt in einer Lache roten Blutes quer über einen Weg, eine spitze Scherbe aus der Gurgel ragend, der Rest der Splitter auf dem Weg verteilt. Der andere ist verstümmelt, der rechte Arm ist ihm abgetrennt und in einen Blumentopf gesteckt worden. Das Gesicht ist eine rote Masse. Vom Blau des Helms ist kaum noch etwas zu erkennen. An der Kante des Weges liegend, füllt er sich langsam mit Regenwasser. Die Tropfen zeichnen kleine Wellenkreise in den blauen Teich. Am oberen Ende des Seils regt sich nichts mehr. Von den Geräuschen alarmiert, fällt die Aufmerksamkeit der jungen Frau, die gerade noch die Gruppe anfeuerte, auf Namra und Mes, die mit erhobenen Händen zwischen den Häuserwänden heraustreten. Die Frau reibt sich die Stirn. “Wer seid ihr? Euch beide kenne ich nicht. Wo hast du sie aufgegabelt, Rufin? Ach, ist auch egal. Lass sie los, ich bin mir ziemlich sicher, die noch nie hier gesehen zu haben und die zwei gehören sicher nicht zu dem Haufen Scheiße da oben. Wie N’Diayes Geißler sehen sie auch nicht aus.” Sie deutet das Seil hinauf und dann hinüber zum Säulenbild. “Keine Sorge, ihr beiden habt nichts von mir zu befürchten. Ihr seht ganz durchnässt und ausgehungert aus. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch für ein paar Nächte hier ausruhen, Vorräte auffrischen. Es ist genug für alle da. Wir verschwinden in spätestens drei Tagen, bis dahin solltet ihr auch abhauen. Ansonsten meint man noch, ihr wärt das gewesen. Naja, du vielleicht nicht.” Sie mustert Namra. “Aber dir, Mädel, dir ziehen sie als Warnung für andere mit Sicherheit die Haut ab. Also macht euch am besten auf und davon, bevor wir auch abhauen. Die sind bei solchen Sachen leider nicht so fair wie wir.” Sie zwinkert. Ihr dunkles Haar mit den hellen Strähnen ist zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengefasst, nasse Strähnen rahmen das helle, mit leichten Sommersprossen gesprenkelte, Gesicht ein.

Noch etwas perplex von der offenen Art der fremden Frau, spürt er, wie der spitze Gegenstand in seinem Rücken noch einmal kurz drückt und dann von seinem Rücken verschwindet. Direkt darauf bewegt sich der Mann namens Rufin durch ihr Blickfeld und beginnt, die goldenen Münzen aufzusammeln. „Ach, wo habe ich meine Manieren. Ich bin Skadi. Jaja, ich weiß, komischer Name. Aber was soll man machen, in Borca gibt es eben auch abgelegene Gegenden.“ Sie grinst breit und streckt ihnen ihre Hand entgegen. Mes ergreift sie rasch und stellt sich vor, während Namra zögert. Immer wieder blickt er hinauf. „Was.. Warum? Warum habt ihr das getan?“ Der Neolibyer wurde von seinen Sklaven aufgehängt. Wie können die Krähen es wagen, sich so gegen ihre Herren aufzulehnen? In Afrika.. solche Respektlosigkeiten? Er traut ihr nicht über den Weg. Noch immer hält Skadi ihm die Hand hin. „Na, weil er ein räudiger Gendosohn war, der es nicht anders verdient hat. Er hat die Männer geprügelt oder viel mehr prügeln lassen. Und die Frauen..“ Ihr Gesicht versteift sich, dann streicht ein schmutziges Lächeln darüber. „Er hat bekommen, was er verdient. Und wir waren noch gnädig. Also was ist jetzt?“ Sie wedelt mit ihrer ausgestreckten Hand herum, die Namra schließlich ergreift und sich ebenfalls vorstellt. „Gut, nachdem die Formalitäten geklärt wären, wollen wir nicht aus diesem verdammten Regen raus? Ich lad‘ euch zu einem Becher Wein ein.“ Mit einem Kopfnicken bedeutet sie den Beiden, ihr zu folgen. Mes wirft Namra einen mahnenden Blick zu und die beiden folgen. Aus den Augenwinkeln erkennt Namra, wie die anderen Sklaven ihn hasserfüllt anstarren. Das dumpfe Gefühl in seinen Ohren verschwindet. Er hört alles wieder klar und deutlich. Ich bin der Feind.

Die drei sitzen in einem Studierzimmer, die Wände sind voller Landkarten. Ein Regal quillt beinahe über vor gerolltem Papier. Skadi wischt kurzerhand alles vom Schreibtisch und setzt sich darauf, während Namra und Mes in zwei davor stehenden Stühlen Platz nehmen. „Also, erzählt doch mal, wo kommt ihr her, wo wollt ihr hin?“ Aus einer Karaffe gießt sie Wein in drei Becher, reicht sie weiter. „Außer es ist euch zu unangenehm, darüber zu sprechen. Wie kommt es dazu, dass jemand mit einer einzelnen Sklavin durch die Gegend reist, aber gleichzeitig so abgeranzt aussieht?“ Sie mustert Namra. „Mit einer was?!“ Mes klappt vor Überraschung die Kinnlade herunter. „Ich bin mit Sicherheit nicht seine Sklavin!“ - „Oh. Eieiei, das ist mir jetzt aber peinlich. Und was seid ihr dann? Ein seltenes Liebespaar, das sich beim Turteln im Dschungel verlaufen hat?“ Ihr gespielt peinlich berührtes, breites Grinsen wirkt auf freundliche Art entwaffnend, ihr Blick wandert neugierig zwischen ihnen hin und her. Mes, die gerade Luft holen will, um ihrer gesamten angestauten Wut freie Bahn zu lassen, blickt einfach nur verdattert drein und schüttelt ungläubig den Kopf. „Wir würden gerne nicht darüber sprechen, wo wir herkommen. Wir hatten ein paar schlimme Wochen und Monate und würden das gerne alles hinter uns lassen.“ springt Namra ihr beiseite. „Natürlich.“ Skadi nickt verständnisvoll, ehrlich. „Gut, vielleicht fange ich an, dann habt ihr eventuell das Gefühl, dass ihr mir vertrauen könnt. Außerdem rede ich gerne.” Sie kichert. “Ich bin vor etwa 8 Jahren nach Afrika gekommen. Wie ist egal, aber ich kam nicht als freier Mensch hier an. Ich wurde gehalten wie Vieh und noch schlimmer behandelt. N‘Diaye, das Stück Scheiße, das ihr im Hof hängen sehen habt, hat mich gekauft. Um das alles abzukürzen.. er war ein Drecksack. Und gestern und heute war der Tag der Abrechnung. Einen Teil seiner Geißler hat eine Freundin etwas westlich in einen Hinterhalt gelockt und dort niedergemacht, zum Schluss waren nur noch ein dutzend Sklaven und er übrig. Er hat sich dann erst verschanzt, aber diese Neolibyer bekommen immer so schnell Hunger. Er hat nicht mal 12 Stunden durchgehalten.“ Sie lacht hämisch, schüttelt amüsiert den Kopf. Auf Namras erschütterten Blick hin fügt sie hinzu: “Keine Sorge, die haben es alle verdient. Jeder einzelne von ihnen. Naja, den Rest könnt ihr euch ja denken. Wir packen jetzt noch die letzten Reste ein und machen uns auf, unsere Freundin zu treffen und gemeinsam der Straße zu folgen.“ Sie mustert die beiden in ihren Stühlen, die sich fragend anblicken. „Es gibt hier eine Straße?“ fragt Mes. „Oh, Mädchen, du hast Recht, du bist tatsächlich keine Sklavin!“ Skadi lacht. „Ja, es gibt eine Straße, auch wenn sie nicht für Wägen gedacht ist und sie nicht durch den Dschungel führt. Dafür aber in die Heimat und in die Freiheit. Wo wollt ihr denn hin?“ Namra und Mes wechseln unsichere Blicke. „Wo genau sind wir?“ „Ihr seid in der Nähe von Baris. Etwas nördlich. Es gibt einen alten Weg, dem man durch den Dschungel nach Norden folgen kann, aber zumindest das Stück hierher ist in schlechtem Zustand. Wie es weiter nördlich aussieht weiß ich nicht, die Straße nach Westen ist zumindest etwas frei. Der folgen wir zumindest, aber da ist der Ärger praktisch vorherbestimmt. Mit dem Ärger auf dem Weg seid ihr durch den Dschungel oder Richtung Norden vermutlich schneller, egal wo ihr hinwollt.” Sie schnaubt. “Ihr könnt es euch ja noch überlegen, was euch besser in den Kram passt. Norden oder Westen. Wir könnten etwas Hilfe gut gebrauchen. Wo genau kommt ihr nochmal her?” Namra schüttelt schweigend den Kopf. “Na gut, na gut, ich hab schon verstanden. Aber afrikanische Verstärkung zu haben, wäre äußerst praktisch.” Skadi stürzt ihren Becher Wein herunter, gießt sich neu ein und lässt die Beine von der Tischplatte baumeln.

Skadi zeigt ihnen einen Raum mit zwei Betten, vermutlich eine Unterkunft für Geißler, in der sie sich einquartieren können. Die erste Nacht ist wunderbar erholsam, aber die Anspannung beherrscht ihren Verstand. Am folgenden Tag füllen die beiden ihre Vorräte auf und meiden die anderen Sklaven, sie haben ein ungutes Gefühl. Skadi rät ihnen ebenfalls dazu, sie scheint das ganze ehrlich zu bedauern, redet auf die anderen ein, versucht zu vermitteln und zu beschwichtigen. Versucht ihnen klarzumachen, dass ein afrikanischer Verbündeter vieles einfacher machen würde. Die Stimmung ist angespannt. Rufin starrt sie immerzu an, auch andere halten inne, während sie allerlei Vorräte und Gerät auf einen alten Unimog hieven. Die Leichen der Geißler werden hinter dem Haus verbrannt, ohne Rituale. Namra scheint das mehr auszumachen als Mes, die auch weniger aggressiv angestarrt wird. Lieber nichts riskieren. Namra hält sich bedeckt, betont freundlich, wenn er jemandem über den Weg läuft.

Zweiter Tag. Nachmittag. Es regnet - wieder einmal. Mes und Skadi sind im Inneren des Hauses. Die zwei verstehen sich gut, Namra hat das Gefühl, dass Skadis ungezwungene Art Mes mehr sie selbst sein lässt. Mes scheint nach den Ereignissen in Karnak wieder ganz die alte zu werden. Vor Namra tropft der Regen vom Dach, hängt wie ein Schleier zwischen ihm und der Realität. Er steht im Türrahmen, blickt hinaus auf den Hof mit den Blumenbeeten und Säulen. “Hey! Dermo! Komm her und hilf mir!” Ein kahlköpfiger, hagerer Mann steht auf der Ladefläche des Unimog, winkt Namra heran. Dieser nähert sich, zögerlich. “Die Kisten hier sind schief gestapelt, wenn wir alles rein bekommen wollen, dann muss das alles passen. Pack mal an, die zwei da heben wir an und drehen sie, dann rasten die Kanten aufeinander.” Namra nickt. Eine Gelegenheit, die Wogen zu glätten. Er zieht sich auf die Ladefläche, stellt sich neben die Kisten, auf die der Mann zeigt. “Die hier?” Der Kahle nickt. “Du gehst auf die, ich auf die andere Seite, dann heben wir gleichzeitig an.” - “Einverstanden” sagt Namra. Die metallenen Kisten haben sich tatsächlich verkantet. Ihre unteren Ränder sind extra so gestaltet, dass sie nahtlos stapelbar wären, aber jemand hat sie einfach achtlos aufeinander gestellt. Namra packt die untere der beiden schiefen Kisten links und rechts am Rand. Ein kurzer Ruck müsste genügen. “Und hoch!” kommt es gedämpft von der anderen Seite. Namra hebt die Kisten an und muss schnaufen. Schwerer, als sie aussehen. “Warte, da liegt was dazwischen. Halt fest!” - “Was? Nein! Nimm deine Finger da raus! Lange kann ich die nicht halten!” - “Habs… gleich..” Namra kann ihn unter die Kisten fingern hören, etwas rollt auf seine Seite. Seine Finger sind schwitzig, die Kiste droht zu rutschen. “Los, die Finger da raus! Sofort!” - “Einen Moment noch!” Namra fühlt, wie ihm die Kiste entgleitet, er muss nachgreifen. Schweiß und Regenwasser lassen die Finger auf der metallischen Oberfläche schwimmen. “Hab-” Mit einem Ruck rauscht die Kiste aus seinen Händen, kracht laut auf die anderen. Ein kreischender Schmerzensschrei hallt durch die Luft. “AAAAAhhhhh!” - der Kahle stolpert von den Kisten weg, gen Ende der Ladefläche, seine blutende Hand umklammert, von der nur noch der Daumen übrig scheint. Unförmiger, roter Matsch hängt dort herunter, wo vorher die Finger waren. Flüche und Schmerzenslaute in einer fremden Sprache kommen ihm über die Lippen. Namra eilt zu ihm, will sich seine Hand ansehen. Der Kahle stößt ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht von sich. “Bleib weg von mir, afrikanisches Stück Scheiße!” “Heh, was ist denn hier los?!” Rufin und andere kommen angelaufen, stehen um das Ende der Ladefläche. Namra kann sehen, wie ihr Blick von der Hand des Kahlen zu ihm wandern und wieder zurück. Ihre Augen verraten bereits, welchen Reim sie sich darauf machen. “Nein, wartet, das war ein Unfall!” Namras Kehle ist trocken, er versucht die Situation zu entspannen, aber seine Worte scheinen alles nur noch schlimmer zu machen. “Iiiihr schwaaaaarzen Teufeeel kööönnt auch niiiiichts andeeerees, als aaaandereen Leiiid zuuufügen.. Ruunter von deeer Laaadeflääche! Sooofort!” Rufins Stimme bebt, die langezogenen Laute zittern ihm über die Zunge. “Schau dir nur an, was er mit Bogdan gemacht hat!” zischt eine der Umstehenden, eine Frau mittleren Alters, deren linkes Auge unter einem Bluterguss kaum zu erkennen ist. “Dieses verdammte Tier!” Namra hebt die Hände, kommt langsam von der Ladefläche herunter, zwingt seinen Atem zur Ruhe. Mit Rufin und dem Kahlen stehen mittlerweile noch fünf weitere um das hintere Ende des Unimogs. Jetzt keine falsche Bewegung. Mit gesenktem Blick schiebt er sich an Rufin vorbei. Demut. Sieben Schritte noch, dann wäre er aus ihrem Kreis heraus und stünde in der Tür zum Haus. Ein Tropfen fällt von seiner Braue, Regenwasser und Angstschweiß vermischen sich auf seiner Stirn. Plötzlich packt ihn eine Hand am Kragen, reißt ihn zurück. Namra wirbelt herum, stößt den schwachen Griff von sich. Das Blut rauscht in seinen Ohren, Adrenalin wälzt sich durch seine Adern, wie der gewaltige Nil durch sein Flussbett. Der Kahle namens Bogdan greift kreischend wieder nach ihm, wieder stößt Namra seine Hand von sich, versteht nicht, was dieser ihm mit schmerz- und hassverzerrtem Gesicht entgegen schreit, sieht aus den Augenwinkeln, wie Bewegung in die Anderen kommt. Eskalation. Von rechts rauscht ein blutbefleckter Spaten heran, zielt auf seine Eingeweide. Namra erkennt die Bewegung. Sein Magen zieht sich zusammen. Der Nabel zittert unter einer Welle. Nein! Nicht noch einmal! Ein Schritt rückwärts bringt ihn außer Reichweite der scharfen Kante. Stattdessen befindet er sich jetzt mitten in der Schlangengrube. Kein Ausweg. Namra ist ein in die Enge getriebenes Tier. Aber er ist kein Kind mehr. Die Luft riecht nach süßer Panik und Petrichor. Namra erkennt jede Pore in ihren hasserfüllten und aufgebrachten Gesichtern, jede zornige Falte. Jemand tritt ihm von hinten in die Kniekehle, schmutzige Hände packen seine Handgelenke. Wieder rauscht der Spaten heran, will ihm den Schädel spalten. Schwarze Nacht und stiller Schatten.


(Quelle: Altes Degenesis-Forum)