Schwestern - In der Fremde
Die Inhalte im grauen Kasten wurden von teddyelfe erstellt. Es handelt sich um Fanwork und nicht um offizielle Spielinhalte. |
Sie schrie und weinte, als der Fremde an ihrem Arm zog und sie so mit Leichtigkeit in seine Richtung lenkte. Sie weinte, weil sie die Trauer in den Augen ihrer Mutter erkannte, das leichte Lächeln auf den Lippen ihres Vaters, als er die Wechsel zählte und sie weinte, weil sie die Schmerzen in den Augen ihrer Schwester sah, die es gewagt hatte, einen der Fremden zu beißen als er sie anfassen wollte. Dafür hatte sie eine so kräftige Ohrfeige bekommen, dass ihr ein Stück ihres Zahns ausgefallen war. 'Glücklicherweise nicht gleich vorne' war das Einzige, was der große dicke Mann dazu zu sagen hatte. Als ob das wichtig wäre.
Ihr dürrer Arm rutschte aus dem Griff des Mannes der sie hinter sich her zog und sie wollte wieder zu ihrer Mama laufen, doch als sie ihr Gesicht in deren Schürze vergrub, schob diese sie weg. Drückte sie wieder in Richtung des dünnen, großen Mannes, der sie eben schon so grob hinter sich her gezerrt hatte. Wenn sie doch nur gewusst hätte, dass dies alles nur der Beginn war, der Beginn einer Reise, in deren Verlauf sich ihre Welt grundlegend verändern würde, in deren Verlauf sie selbst sich grundlegend verändern würde. In deren Verlauf die fremden Männer ihre Familie werden würden. Die fremden Männer zerrten sie hinter sich her, ein ganzes Stück eines Weges, den sie immer nur bis zum Ausgang ihres Dorfes gegangen waren. Mutter und Vater sagten, außerhalb des Dorfes sei es nicht sicher. Sie hatten sich einen Spaß daraus gemacht, Mutproben zu entwickeln die immer einen kleinen Schritt außerhalb des Dorfes stattfanden, doch jedes Mal wenn sie dabei erwischt worden waren, hatte es eine gehörige Portion Prügel gegeben. Also hatten sie damit aufgehört, als sie ein wenig älter wurden. Nachdem sie einen Tag lang gegangen waren, legten die Männer eine Pause ein. Sie hüllten sich, und zu deren Erstaunen auch die beiden Mädchen, in Decken und zündeten ein Feuer an. Dann holten sie Lebensmittel aus einem kleinen Beutel und teilten sie mit den Mädchen. Viel war nicht da, es sah so aus, als ob der Großteil schon gegessen war. Doch es war immerhin etwas, das den knurrenden Magen beruhigte. Zusammen mit dem Wasser des kleinen Baches in der Nähe fühlten sich die Mädchen schnell wieder besser. Rora und Lissa, das waren die Namen die ihre Eltern ihnen gegeben hatten, doch die Männer erklärten ihnen, dass sie diese würden ablegen müssen. Es sei besser, nicht zurück zu sehen, der Moment sei das Einzige, was zähle. Den Mädchen viel das Zuhören schwer, sie waren schon fast eingeschlafen. Doch was sie noch verstanden, während sich die Nacht und das Vergessen über ihre kleinen Geister legte, war, dass sie noch am nächsten Mittag auf Andere stoßen würden. Und mit diesen zusammen dann den Weg in ihr neues Zuhause antreten würden. Und was sie dachten, war, dass sie kein neues Zuhause brauchten, sie hatten doch schon eins. Ein Zuhause, wo Mutter und Vater sicherlich auf sie warteten, wo ihre Freunde mit ihnen würden spielen wollen. Und dass sie weder die einen, noch die anderen, nie wieder sehen würden. Als sie am nächsten Morgen erwachte, hätte sie am liebsten sofort geweint. Doch sie wusste, das würde nur wieder den Zorn der beiden Männer auf sie ziehen, also riss sie sich zusammen. Sie wusch sich stumm, trank noch ein wenig und trottete dann still hinter den beiden her. Nie ließ sie zu viel Abstand, nie ließ sie den beiden eine Möglichkeit auf sie wütend zu werden. Und sie wurden es nicht. Gegen Mittag trafen sie auf eine schon von Weitem zu sehende Gruppe. Zwei Frauen tanzten auf einem zur Bühne improvisierten Wagen aufreizend zu Trommel- und Flötenmusik, ein paar weitere bunt gekleidete Gestalten saßen um den Wagen herum und in kleinem Abstand davor saßen ein paar dick eingepackte in grau gekleidete Personen, die offensichtlich nicht zu dieser Gruppe gehörten. Sie sahen den Tänzerinnen zu, mit lüsternem Blick empor, leicht der Welt entrückt. Das Mädchen verstand nicht, was vor sich ging, doch sie verstand, dass diese Gruppe die war, zu der sie stoßen wollten. Zu der sie jetzt gehören sollten. Ob sie auch so tanzen lernen würde? Ob sie auch so bunte Kleidung bekommen würde, lachen würde, wie die Leute es taten? Die Männer stellten sich vor die Mädchen und machten eine stolze Geste mit ihrem Arm. 'Die Feuerschlangenschar'. Als ob den Mädchen das etwas hätte sagen sollen, als ob man stolz auf diesen Namen sein konnte. Umarmungen und Küsse wurden ausgetauscht, als die Männer von der Gruppe erkannt wurden, neugierige Blicke fielen auf die Mädchen. Es war ihr unangenehm, doch sie sah Freundlichkeit, sie sah, dass sie irgendeine Art Test bestanden hatte. Im Gegensatz zu ihrer Schwester. Lissa, wie immer trotzig und mit verschlossenem Gesichtsausdruck, wurde weniger wohlwollend angesehen. Widerstand war nicht der Weg zum Erfolg, das würde sie sich merken. Und noch so viel galt es zu lernen. Doch als ihr das erste Stück Brot in die Hände gedrückt wurde, vergaß sie, dass sie lernen wollte und biss so schnell und herzhaft in das erste richtige Essen das sie seit dem gestrigen Morgen gesehen hatte, dass es der netten Frau gegenüber, die es ihr gegeben hatte, ein Lachen entrang. 'Wir werden noch viel Spaß zusammen haben' sagte sie ihr freundlich,... und Rora verstand, dass sie, ohne etwas zu tun, schon eine erste Freundin gefunden hatte. Doch wieviel es sie kosten würde, diese auch zu behalten, das verstand sie noch lange nicht. Rora und Lissa hatten mittlerweile schon zwei Wochen inmitten der nicht mehr ganz so fremden Menschen gelebt, doch jede Nacht, kurz bevor sie eingeschlafen war, wünschte sich Rora, noch einmal im Arm ihrer Mutter zu sein. Beschützt vor der Welt, den Geruch von Geborgenheit in der Nase und das leise Lachen ihrer Mutter im Ohr. Das Lachen, das sie nie wieder vernehmen würde. Sie hatten sich eingelebt, ein paar kleine Aufgaben übertragen bekommen. Sie fegten die Kaschemme, die etwa eine Woche und damit einfach Welten entfernt war von ihrem Zuhause, sie kümmerten sich darum, dass immer ein Eimer frisches Wasser am Eingang stand, sowie ein leerer daneben, damit die Männer die abends zu Besuch kamen, etwas hatten, wo sie rein kotzen konnten, wenn sie zu viel Destillat getrunken hatten. Und sie bekamen viel erklärt. Wie Würfelspiel funktionierte und wie man sicher stellte, dass man gewann. Und der Gegenüber nicht mitbekam, dass man das sicher gestellt hatte. Ebenso bekamen sie beigebracht, wann es auch mal klüger war, zu verlieren, damit der Gegenüber das Interesse am Spiel nicht verlor. Rora bekam die Aufgabe, den älteren Frauen abends beim Tanzen zuzusehen und tagsüber zu üben. Lissa bekam die Aufgabe, zu schleichen. Still zu sein, verstecken zu üben und auch, wie man ein Messer warf, so, dass es mit der Spitze das Ziel ganz genau traf. Die Tage vergingen und die Mädchen lernten. Rora wie man tanzte, Lissa wie man sich anschlich und das Messer zielgenau benutzte. Für diese Aufgaben waren sie zur Schar geholt worden, bekamen sie gesagt. Und für diese Aufgaben waren sie bestens geeignet bekamen sie gesagt. Und dann kam der Tag, an dem man Rora ein Bündel in die Hände drückte. Ein kleines Bündel war es, nicht viel größer, als sie mit einem Arm umfassen konnte. Und ihr wurde gesagt, dass sie diese am Abend anziehen sollte, sie würde auftreten. Sie sei in die Schar aufgenommen, auch Lissa gehöre vom heutigen Tag an dazu. Sie seien Finken, sie haben noch viel zu lernen. Doch das würden sie. Und vom heutigen Tag an, sagte man ihnen, haben sie auch andere Namen. Lissa bekam einen Namen, der genau im Gegensatz zu dem stand, was sie später würde tun müssen. Später, so sagte man ihr, würde sie den Tod bringen. Sie würde Eule. Und Rora bekam einen Namen, der später, wenn sie einmal erwachsen sein sollte, eine kleine Legende werden würde. Der über die Grenzen ihres kleinen Dorfes, ja, sogar des Landes hinaus, genannt werden würde. Der den Männern die ihn hörten ein Lächeln aufs Gesicht zaubern würde, als Elster würde sie viele Männer glücklich machen, und später, wenn man von ihrem tragischen Selbstmord nach der Ermordung ihrer Schwester durch Richter erfahren würde, eine Träne ins Auge. Von nun an hießen die beiden Joy und Miss. (Quelle: Altes Degenesis-Forum) |