Esskultur und Ebenholz

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Die Inhalte im grauen Kasten wurden von Marodeur/Scallen erstellt. Es handelt sich um Fanwork und nicht um offizielle Spielinhalte.

„Arren kommst du? Deine Mutter hat das Essen fertig.“

Völlig desorientiert schreckte ich hoch, die Stimme meines Vaters hallte noch in meinen Ohren, das Bild meiner Mutter wie sie an unserem Herd stand blitze vor meinen Augen auf. Mir die Augen reibend, ließ ich mich zurück auf mein Bett fallen und versuchte mich zu beruhigen. Es ist lange her das ich solche Träume hatte oder zumindest das sie mich noch im wachen Zustand so mitnahmen. Mit schweren Kopf öffnete ich die Augen. Mein karges Zimmer wurde von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet. Der Wunsch nach einer Pfeife und einem warmen Tee keimten in mir auf. Das ließ mich lächeln, wie verwöhnt ich doch geworden war. Tatendrang erfasste mich, ich schwang die Beine aus dem Bett und zog mich an. Schnell strich ich ein paar Krümel von meiner neuen, blauen Jacke und war aus der Tür. Die Sonne ging gerade auf und es nieselte ein wenig. Der alte Emel saß noch an seinem Sturzwagen, als er mich sah winkte er mich heran. „Guten Morgen Arren, na du bist aber früh auf.“ Emel lächelte. Das Lächeln eines Mannes der nicht viel hatte, damit aber völlig zufrieden war. „Morgen Emel, hoffe du hattest eine ruhige Nacht?“ „Ja ruhig war sie leider, ein paar mehr Kunden würden mir gut tun. Aber immerhin waren die, die da waren, eine nette Gesellschaft.“ Mit seinen runzligen Händen goss er eine Kelle Brühe in einen kleinen Holzbecher und reichte ihn mir. Als ich nach meinen Wechsel greifen wollte winkte er lachend ab. „Doch nicht für dich Arren, und schon gar nicht um diese Zeit.“ Ich trank die heiße, scharfe Brühe, sie war würzig und nicht zu salzig. „Das tat gute Emel, ich denke ich geh jetzt zur Arbeit. Komm gut heim“ Der Alte lächelte noch immer als er seinen Sturzwagen zusammenklappte.

Es tat gut wieder zu arbeiten, mein Kopf pochte ab und an, aber wenn ich das Trinken eine Weile sein ließ würde das schon wieder werden. „Dante, ich brauche zwei mal die Tagesknödel. Wie viel ist noch da?“ „Kommt! Nach den zwei reichst noch für zwei weitere, dann ist aber auch die Bratensauce alle.“ Dante hatte sich gut erholt. Irgendwie war ich dankbar, dass er, trotz allem was passiert war, gleich wieder zur Arbeit gekommen war, obwohl sein Auge noch geschwollen war. Nun sah man ihm nichts mehr an, vielleicht bis auf den krummen Nasenrücken. Er hatte den Vorfall nicht einmal erwähnt. Aber bis auf das Nötigste redete er nicht mehr mit mir. Nun ja, er redete eigentlich kaum noch mit jemandem. Selbst Lara ließ er völlig in Ruhe. „Arren, Richter Jencken wartet auf die Knödel!“ rief Lara kurz durch die Tür. „Sofort fertig! Noch irgend etwas offen?“ „Nur noch einmal Fleischeintopf und die Nachspeise für den Tuchhändler.“ „Gut, sag Lara wenn es bereit ist, ich bringe schnell die Knödel zum Tisch.

„Ah Arren, schön dich zu sehen. Herrlich, auf diese braune Sauce freue ich mich schon. Richter Jenckens neue Weste spannte bereits über seinen üppigen Wanst, als er sich den Teller heran zog. „Ach sag, wie geht’s dem alten Herren?“ fragte er mit vollem Mund. „Herr Hagermann ist weiterhin bettlägerig, die Ärzte reden von einer Lungenentzündung.“ „Oh, da klingt übel, aber der alte Knabe ist ein zäher Hund, der übersteht das schon. Aber ich sehe das ihr den Laden gut am Laufen haltet.“ „Wir tun unser Bestes, Richter Jencken.“ Nicht sonderlich manierlich wischte sich Richter Jencken Sauce vom Kinn. „Sag mal, du könntest da was für mich tun Arren, wir erwarten eine Delegation die wir ein bisschen beeindrucken wollen.“ Ähm,.. nun ja, von wie vielen Leuten reden wir da?“ „Och naja, glaube so 30, du weißt schon, Advokaten, Vollstrecker, Schiedsfrau Möller, mein Guter Freund Dr. Pschemischlawsky. Hab ihm gesagt er darf ne Begleitung mitbringen. Weiß nicht genau wie viel die Afrikaner mitbringen.“ „Afrikaner?!“ Fast hätte Arren den leeren Vorspeisenteller fallen lassen. Wieder stopfte sich Richter Jencken einen Bissen in den Mund. „Ja, kommen aus Toulon und sogar welche aus Tripol.“ „Ähm.... und wann?“ „Heute Abend.“ „Heute Abend?!“ „Genau und dafür hätten wir gerne euren feinen Laden, damit die mal sehen was gute borcische Küche ist. Also nicht so viel Schischi und Schnickschnack, aber trotzdem was gutes das Eindruck schindet.“ Ich stand nur stumm da, klar 30 Leute, geschlossene Gesellschaft, nichts was das Hagermanns nicht stemmen konnte, aber Afrikaner? „Na was meinst du? Ich weiß ist etwas kurzfristig, aber ich hab es bei all dem Papierkram im Amt einfach verschwitz.“ Richter Jencken zog einen Lederbeutel aus seiner Manteltasche und legte sie vor mir auf den Tisch. „Hier, kannst es ja mal probieren, etwas aromatischer als das Kraut das ich sonnst so rauche aber nicht schlecht. Red mal mit dem alten Herren, gehörst ja quasi schon zur Familie. Natürlich kommen wir für alles auf, ich schick euch auch gerne nen Aktenschubser vorbei der euch Geld für eure Auslagen mitbringt.“ Schwerfällig erhob sich Richter Jencken von Stuhl und rammte sich den Hut auf den Kopf. „Puh... heute erst mal kein Dessert, sonnst schaff ich's vielleicht nicht mehr zur Latrine.“ Ohne es zu zählen warf er noch ein kleines Bündel zerknüllter Wechsel auf den Tisch. „Stimmt so, ich muss jetzt los. Gebt mir zugig Bescheid in Ordnung?“ Ich sah ihm nach als er durch die Tür ging. Afrikaner?! Heute Abend? „Hey was hast du?“ fragte Lara hinter mir, ich war noch so geschockt das ich mich nicht einmal erschrak.“ Möglichst ruhig drehte ich mich zu Lara um. „Sei so nett und sag Jurgen und den anderen das wir etwas besprechen müssen,...“

„Afrikaner?“ brach es aus Torge heraus? Jurgen und Dante nahmen es weitaus gelassener. „Ich habe Richter Jencken noch nicht zugesagt. Ich entscheide das nicht.“ Jurgen verschränkte die Arme. „Hagermann geht es nicht gut, er kann sich um die ganze Planung nicht kümmern und ich weiß nicht ob wir das alles in so kurzer Zeit schaffen.“ „Verdammte Richter! Auf den Schock muss ich erst mal eine rauchen.“ Trotzig stob Torge zur Hintertür hinaus.“ Traurig schüttelte Lara den Kopf. „Ich rede mit Vater.“

Für jene die Eusebius Hagermann noch als jungen Mann kannten, gab er grade ein schreckliches Bild ab. Darum ließ er bis auf seine Kinder und Jurgen niemanden zu sich. Um so mehr wunderte es mich das er grade nach mir verlangte, als Lara nach einer Weile wieder herunter in die Küche kam. Was war mit Dante los? Selbst das kommentierte er nicht. Hagermann lag in seinem Bett, das kleine Schlafzimmer war sehr schlicht. Das Fenster war geschlossen und dämmte den Straßenlärm. Es tat mir weh ihn so zu sehen. Träge winkte er mich näher zu sich, ich wusste das er nicht laut sprechen konnte. „Lara hat mir alles erzählt. Ich will das du das du dich darum kümmerst.“ „Was? Wieso ich? Wären Jurgen oder Torge nicht besser?“ Mühsam stütze sich Hagermann auf und packte meinen Arm. „Wir wissen beide das Torge das nicht kann, er mag ein guter Koch sein aber ihm fehlt der nötige Ernst um die Übersicht zu behalten. Jurgen wird dich unterstützen, aber er kann kein Menue planen. Es geht hier um unseren guten Namen, Arren. Auch wenn ich dem Fettsack Jencken dafür persönlich in die Eier treten könnte. Du schaffst das. Du weißt worauf es ankommt. Der Fettsack wird dafür blechen und unser Name wird in Toulon und Tripol bekannt werden!“ Hagermanns empörter Enthusiasmus ließ ihn krächzend husten. Lara die hinter der Tür gewartet hatte stürzte herein und bugsierte ihren Vater wieder auf dem Kissen. „Du darfst dich nicht aufregen, hat der Arzt gesagt!“ Immer noch hustend ballte Hagermann die Faust und sah mir in die Augen. Ich nickte nur.

Ernst schritt ich die Treppe hinunter. „Alle man herhören! Wir bekommen heute Abend eine geschlossene Gesellschaft! 30 Gäste!“ Ich deutete auf den Küchenjungen. „Lauf los und gib Richter Jencken bescheit, dass wir ihn und seine Gäste erwarten. Und das er das Geld für unsere Auslagen herbringen lassen soll.“ Torge der noch immer nicht ganz mit der Situation klar kam kaute auf den Nägeln. „Ist das dein Ernst? Hat Vater das gesagt? Wie soll das gehen? Wir hatten für heute Abend nichts tolles geplant und so viel haben wir gar nicht im Lager. Ich legte Torge die Hände auf die Schultern. „Beruhige dich. Ich hab schon einen Plan, ich brauch dich hier. Du musst hier alles vorbereiten mit Lara. Alles wird gut.“ Torge sah sich um als ob ich verrückt geworden sei. „Wenn Arren sagt das wir das schaffen und Hagermann ihm das zutraut. Sag einfach was zu tun ist Arren.“ Etwas verwundert sah ich Dante an. Kein Sarkasmus, kein schnippischer Kommentar. „Jurgen, bring mir die Wechsel aus der Kasse. Dante, hol deine Jacke, wir gehen einkaufen.

„Hast du wirklich einen Plan?“ Fragte mich Dante als wir zum Markt hetzten. „Was? Nein. Aber was sollte ich ihm sagen? Dann wäre er noch mehr durchgedreht.“ „Verdammt, hey, zum Markt müssen wir links lang.“ „Geh schon mal vor und sondier das Angebot und bete das noch was gutes da ist,... ich besorge uns erst mal etwas mehr Unterstützung!“ Ich wusste das ich ihn hier finde. Hier saß er immer rum, seit er aus der Manufaktur entlassen worden war. Vor der Tür des Arbeitsvermittlers, in der Hoffnung eine Arbeit zu finden die zumindest den Drink am Abend bezahlt. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich auch noch hier gesessen. „Hert!“ Fast wäre Hert im Spurt vor Schreck davon gerannt, doch dann erkannte er mich. „Arren was ist los ist jemand hinter dir her? Etwas außer Atem erklärte ich ihm das Desaster. „Man da hast du dir aber was eingebrockt. Und was soll ich da bitte tun?“ „Helfen, Schleppen, was auch immer, alles hilft. Wenn ich endgültig den Verstand verliere lass ich dich vielleicht sogar kochen.“ „Gibt's Kohle?“ „Himmel, ja ich bezahle dich, aber jetzt komm, wir haben keine Zeit.“ Die Aussicht auf Geld ließ einige neugierige Zuhörer näher kommen. „Was soll das für eine Arbeit sein?“ fragte ein junger Mann. Arren musste sich kurz sammeln und sah sich unter dem kläglichen Rest Tagelöhnern im. „Ich bin Arren, Koch im Speiselokal Hagermanns, wir erwarten heute 30 Gäste, Richter, Spitalier, Afrikaner. Ich brauche Leute die mit Lebensmitteln umgehen können. Leute die sich in Gesellschaft benehmen können. Essen auftragen. Teller abräumen. Geschirr spülen. „Miese Afrikaner.“ Der junge Mann wendete sich gleich wieder ab. Auch andere scheinen wieder das Interesse zu verlieren. „Ich hatte mal eine Garküche.“ Meldete sich eine kräftige Frau. Ein älterer Mann hob die Hand „Spülen kann ich, auch Feuer schüren und so was.“ „Hab mal in ner Kaschemme Getränke serviert.“ bemerkte eine junge Frau mit knappen Rock. Der letzte der nicht geflüchtet war, war ein Mann mit kurzem braunen Haar das auf seinem Hinterkopf komplett abrasiert war. „War mal Fleischer.“ Gab er schulterzuckend an. „Wundervoll. Dann kommt mit!“

Der Markt war um diese Tageszeit nicht mehr so geschäftig. Was nicht bedeutete das es leer war. Ich bahnte mir mit meinem Gefolge einen Weg zum winkenden Dante. „Verdammt wo hast du die denn her?“ „Von der Straße. Wie schaut es aus?“ „Wie soll's denn aussehen? Der Fleischer hat nichts mehr vom guten Zeug da. Vom guten Gemüse will ich erst gar nicht anfangen. Mit dem Fisch kannst du nur noch jemanden vergiften und die Preise für Obst sind heute unverschämt! Was willst du überhaupt kochen?“ „Das hier ist immer noch Borca, oder? Also geben wir den Afrikanern Borca zu fressen. Du!“ Ich zeigte mit dem Finger auf den Fleischer. „Besorg mir Ohomi für 30 Leute, muss kein Filet sein, aber es sollte keine Sehnen haben.“ „Du!“ Ich zeigte auf die dicke Frau. „Ich brauche Huhn und Eier. Hert, geh los und besorg das Kellerbier das Kress neuerdings verkauft.“ Dann brauch ich noch rote Zwiebeln, jede Menge Erdäpfel und Birnen!“ Dante riss die Augen auf. „Was hast du da nur vor Arren?“ „Ich hab keine Ahnung, und nun geh los und hol uns für einen guten Preis Wein und Couscous.“

Die Menge an Waren die ich mit den anderen in die Küche schleppte war ungeheuer, mir schwirrte noch immer der Kopf. Lara und Torge hatten das Lokal geschlossen um den Speiseraum vorbereiten zu können. „Was hast du da alles? Was sind das für Leute?“ Armer Torge, er taugte wirklich nicht dafür. „Ohomiafter und Hyänennachgeburt, was Afrikaner halt so essen, frag nicht, nimm mir das mal ab.“ Ich atmete tief durch. „Gut hört zu. Bevor wir euch eure Aufgaben erklären ein paar einfache Regeln. Stehlt kein Essen. Immer saubere Hände Stehlt kein Essen! Und weil ich meinen Kopf in der Schlinge habe. Sollte einer von euch Mist bauen, behalte ich nicht nur seinen Lohn ein, ich sorge auch dafür das keiner von euch jemals wieder eine Arbeit im Weißwand- oder Schwarzwandviertel findet Und schon gar nicht in der Garküchenstraße, haben wir uns verstanden? Ja? Gut! Wir werden heute ein Menue kochen, das heißt eine Abfolge von Speisen die nacheinander gegessen werden. Vier Gänge. Die Vorspeise besteht aus einer leichten Gemüsesuppe mit Ei, schön salzig das mehr getrunken wird und nicht zu schwer um satt zu machen. Als zweiten Gang gibt es Ohomisteak, mit einer feinen Zwiebelsauce. Schön zart und dünn, wir haben nicht so viel Fleisch. Als dritten Gang machen wir knusprige Hühnerbrust vom Grill. Gut und billig, aber lecker und macht satt. Das Desert besteht aus einer heißen Suppe aus gezuckerten Birnen, das wir auf süßem Couscous servieren. So sollten wir die Afrikaner satt bekommen.“ „Sag mal wie soll das alles gehen? Wenn ich mir das Fleisch anschaue willst du eher Schuhe damit besohlen.“ „Ich kenne da einen kleinen Trick, wirst schon sehen. Reiß dich zusammen Torge, ich brauch dich hier, keiner ist besser am Grill als du. Und du musst für mich dieses tolle Knoblauchbrot machen, das kannst nur du.“

Ich war beeindruckt wie die kräftige Frau die Zwiebeln schnitt, keine Träne. Ganz im Gegensatz zu der kleinen Kellnerin die Rotz und Wasser heulte. „Fleischer hast du das Ohomi für mich vorbereitet?“ „Wie du es wolltest Chef, schön dünn, fein eingeschnitten und platt geklopft“ Dante sah zu wie ich die Schüssel mit fein gehackten Zwiebeln nahm und über den ausgebreiteten Steaks verteile. „Was hast du da nur vor Arren? Das Fleisch wird zäh wie Leder. Und was soll das mit den Zwiebeln?“ Ich lächelte verträumt als ich mich daran erinnerte wie meine Mutter mir diese Frage einmal beantwortet hatte. „Wie du weißt Dante, komme ich aus armen Verhältnissen, wenn wir uns mal Fleisch leisten konnten, war es definitiv nicht das gute das wir hier servieren. Aber wir waren froh und meine Mutter kannte da einen Trick. Sie nannte das dann immer „Chaljapin“, was auch immer das bedeuten soll. Dabei bedeckt man das leicht eingeschnittene Fleisch mit Zwiebeln. Der Saft der Zwiebel wirkt auf das Fleisch und macht es zart. Warum das so ist weiß ich auch nicht, aber am Ende hat man ein zartes Stück Fleisch, und Zwiebeln.“ Dante zuckte mit den Schultern, schien aber ehrlich etwas beeindruckt. „Na wenn das klappt, schön“

Der Gastraum des Hagermanns war nicht sonderlich groß. Große Massen saßen Mittags hier nie bei Tisch. Man setzte auf Qualität den auf Quantität. Lara hatte sich alle Mühe gegeben und alle Tische zu einer langen Tafel zusammengeschoben und sie mit blauen Tüchern und Kerzen dekoriert. Das Hagermanns war ein gutes und einfaches Haus. „Verdammt wir haben zu wenig Gläser. Die Richter haben nie etwas zur Tischordnung gesagt! Wenn Vater es nicht tut, trete ich dem dicken Jencken in den Sack! Ich könnt durchdrehen!“ Ich liebte es wenn Lara sich so echauffierte, solange ich nicht der Stein des Anstoßes war. Fast hätte ich sie gedrückt und ihr das gesagt, aber dafür war jetzt keine Zeit. Schnell sah ich mich hinter dem Tresen um. „Wir brauchen nicht zu jedem Gang neue Gläser. Es gibt Wasser, Wein und Bier. Hert besorgt uns grade Tonbecher für das Bier, dann können wir die guten Gläser für Wein und Wasser nehmen. Was? Schau mich nicht so an, ich lass die Afrikaner doch nicht aus Holzhumpen trinken.“

Es war ein heilloses Chaos, aber es funktionierte. Ohomi in der Pfanne, Huhn auf den Grill. Die Suppe mit dem wenigen Gemüse. Ich musste lächeln... irgend etwas muss doch schief gehen. Ich brauchte eine Pfeife. Nein nicht jetzt, später. Und einen Drink, einen großen. Aber später. Dante fragte mich zu dritten mal, was für eine Beilage wir machen sollen. „Na wozu habt ihr grade den Berg Erdknollen geschält und gekocht? Nun zeig ich euch wie man eine echte borcische Schrotterpfanne macht!“ Dantes Blick war unbezahlbar.

In der kleinen Wohnung über dem Restaurant war es still. Leise Schloss ich die Tür und hockte mich neben Hagermanns Bett. Er hatte etwas geschlafen, aber ich merkte ihm an das er genau so angespannt war wie ich. „Alles ist vorbereitet, die Gäste werden gleich eintreffen.“ „Gut, bist du zufrieden mit den Vorbereitungen?“ „Ich denke schon, soweit es halt möglich war.“ „Das hab ich gleich an dir gemocht Arren, du bist ehrlich und dir selbst kritisch gegenüber.“ Ich musste wieder lächeln, hatte ich dieses Lob verdient? „Noch ist es nicht überstanden mein Junge, jetzt fängt der Kampf erst an. Menueabfolge, Timing. Ich weiß das ihr das schaffen werdet.“ Es machte mich ein wenig traurig. Er hätte dort unten stehen sollen und uns anleiten, nicht ich. Wer war ich schon, dass ich nun in der blauen Jacke den Ton angab. Aber er glaubte an mich und für den Moment musste das reichen.

Lara und Jurgen hatten versucht die zwangsrekrutierte Truppe so gut es ging herzurichten. Der Alte trug eins von Hagermanns Hemden, Fleischer eine Jacke von Jurgen. Die Kleine hatte von Lara einen züchtigeren Rock bekommen und hatte sich von ihr die Haare bändigen lassen. Süß saß sie aus, auch wenn ich das Lara gegenüber sicher nie laut erwähnen würde. Die kräftige Frau war stur in der Küche geblieben und hatte sich um die Birnen gekümmert. Fast schon typisch für Bruder und Schwester zankten sich Torge und Lara als diese ihm die Haare kämmen wollte. Nur Dante sah geleckt aus wie immer. Ich klatsche kurz in die Hände um Aufmerksamkeit zu erlangen. „Gut, gehen wir das ganze noch einmal durch. Die Gäste kommen rein, wir begrüßen sie, lasst euch nicht von ihnen einschüchtern, erst recht nicht von den Afrikanern. Wir verteilen sie an die Tafel. Richter an der Fensterseite, Afrikaner Küchenseite. Der Anhang kommt an das Ende der Tafel. Richter Jencken sitzt mit dem obersten Afrikaner am Kopf. Ich werde, Himmel hilf mir, ein paar Worte sagen, dann schenkt ihr Wasser ein und geht mit Bier und Wein rum. Dann Vorspeise, erster Gang und so weiter, das Tempo stimmt Lara bitte mit Jurgen ab, dass alles zur rechten Zeit aufgetragen wird. Unser guter Ruf hängt von diesem in letzter Sekunde geplanten Abend ab. Köpfe werden dafür Rollen, aber nicht unsere. Wir halten den Namen Hagermann hoch. Nun geht da raus und gebt euer bestes!“ Angesteckt von der Stimmung stürmte die erste Gruppe hinaus. Nur Hert blieb stehen und starrte auf seine Schuhe. In einem meiner blauen Hemden fühlte er sich sichtlich unwohl. „Was ist los Kumpel?“ frage ich ihn möglich jovial. „Ich kann das nicht Arren, vor all die Leute da treten meine ich.“ Möglich entspannt klopfte ich ihm auf die Schulter. „Nur keine Panik, stell dich einfach hinter den Tresen, zapf etwas Bier, damit kennst du dich doch aus und wenn dich einer der Gäste anschaut lächel und nicke einfach freundlich. Das bekommst du doch hin.“ Mühsam rang sich Hert ein Lächeln ab. „Na siehst du, es erwartet ja keiner das du den Haufen mit Witzen und Zaubertricks unterhältst, oder eine Dichterlesung abhältst.“

Ich war von mir selbst überrascht das ich die Gäste so ruhig begrüßt und ihnen die Speisenfolge vorgestellt hatte. Ich, der Hund von der Straße, war nun der Kopf vom Hagermanns. Stand noch über Lara und Torge. Auf mich schauten sie, Richter, Spitalier, Afrikaner. Für sie war ich nun Hagermann, der Mann in der blauen Jacke. Ich wusste nicht ob ich mich erst bepinkeln oder übergeben sollte. Ich wusste nicht wer all diese Richter waren, aber sie waren sicher alle wichtig. Dr. Pschemischlawsky war ein kleiner, kahler Mann, der in dem Neoprenanzug und dem festlichen Umhang hier völlig deplatziert wirkte. Seine Begleitung war Dr. Karen Blaubach, eine Frau um die 30 die trotz Glatze sehr attraktiv war. Ihren Namen würde ich mir nicht merken, wohl aber ihre Kurven. Hinzu kamen ein paar gut gekleidete Damen und Herren, wohl gut betuchte Händler. Maden die sich an der Gunst der Richter satt fraßen. Ich hatte bis heute nur wenige Afrikaner gesehen und schon gar nicht so viele auf einmal. Der Mann der am Kopf der Tafel neben Richter Jencken saß, wurde als Mawuko vorgestellt. Ich tat mir schwer die afrikanischen Namen zu verstehen. Sarabi die direkt neben ihm saß, hatte wie Fr.Dr. Blaubach eine Glatze und sah nicht weniger beeindruckend aus. Das Gewand aus leichtem, orangen Tuch legte sich sanft um ihre dunkle Haut. Ich musste Hert schlagen, das er aufhörte zu starren. Das afrikanische Gefolge bestand noch aus sechs weiteren Leuten. Ein Mann mit Narben im Gesicht und einem Filzfees auf dem Kopf dessen Name ich mir aber nicht merken konnte. Davu und Kesar waren muskulös gebaut und vermieden es zu sprechen. Sie scheinen sich noch unwohler zu fühlen als Yaw, der der jüngste war und in sein Wasser starrte. Zula die wunderschönes Haare hatte und ein Mann, mit für Afrikaner untypischem Schnauzbart, unterhielten sich überraschend ausgelassen auf afrikanisch und betrachteten den Speiseraum. Richter Jencken erhob sich schwerfällig. „Haben alle was zu trinken? Wunderbar. Meine Damen und Herren ich danke ihnen das sie meiner Einladung in dieses wundervolle Lokal gefolgt sind, auf dass wir die Distanz unserer Kulturen ein wenig verringern mögen und wir uns morgen in freundlicher Stimmung zusammensetzen können und die Klippen von Politik und Handel gemeinsam meistern können.“ Leichter Applaus erklang, nur der Afrikaner mit dem Fees klopfte zustimmend auf den Tisch das die Gläser klirrten. Süffisant erhob Jencken seinen Becher und trank. „Himmel, das nenn ich mal gutes Bier.“ Ich nickte zu Lara hinüber, Zeit aufzutischen.

Lara hatte grade einen Stapel Teller in die Spüle gestellt, als es laut wurde im Gastraum. Eben noch, hatte ich mich darüber gefreut das die Gäste das Chaljapin gelobt hatten. Der Mann mit dem Fees war aufgestanden und beschimpfte nun Dr. Pschemischlawsky, zumindest vermutetet ich das, denn er sprach afrikanisch. „Was ist hier los?“ Fragte ich Hert als ich zu ihm hinter den Tresen trat. „Kein Plan, der Afrikaner hat wohl ein paar Jagdgeschichten zum Besten gegeben und erzählt was er alles so erlegt hat. Frag mich nicht was alles, noch nie von gehört. Dann hat der Spitalier gelacht und gesagt, dass es unmöglich sein kann, dass er einfach so einen Homo-irgendwas erledigt hat.“ Ich nahm einen Becher Bier den Hert grade gezapft hatte und trat neben den Afrikaner mit Fees. Laut stellte ich den Becker vor ihm auf den Tisch, das er sich in seiner Tirade unterbrach und erst auf den Tisch und dann zu mir sah. Ernst sah ich ihm in die Augen. „Hier, wie ich sehe hatten Sie noch kein Bier, probieren Sie es bitte, eine lokale Spezialität.“ Der Mann hielt meinen Blick stand, griff blind aber zielsicher nach dem Becher und kippte ihn in einem Zug herunter. „Das ist gut.“ Verkündete er, während er mich wieder fixierte. „Dann bringe ich Ihnen noch eins.“ Der Afrikaner mit dem Schnurrbart lachte herzhaft auf und sagte etwas zu dem Jäger das ich nicht verstand. „Und bringen sie dem Herrn Doktor besser auch eins.“ Schloss er dann in überraschend akzentfreien borcisch. „Hert, zapf mehr Bier, die Gäste sind durstig. Lara bring bitte den nächsten Gang.“ Verkündete ich laut durch den Saal.

Der Blick von Sarabi, als sie die Nachspeise sah, war goldig. Die sonnst ernst dreinblickende kahlköpfige Frau lächelte und löffelte die heißen Birnen mit dem süßen Couscous. Generell kam die Nachspeise sehr gut an und ich war froh das wir einen großen Topf zubereitet hatten, verlange fast jeder Gast nach mehr. Nur der Mann mit dem Schnurrbart war nach der ersten Portion nach draußen verschwunden. Nun kam die Zeit für Kräuterschnäpse, Destillat und mehr Bier. Und auch wenn ich mir am liebsten selbst etwas eingegossen hätte, war es noch nicht an der Zeit. Mit pochendem Schädel schloss ich die Tür zum Hinterhof und setzte mich auf eine der Kisten. Die kühle Luft und die dunkle Stille waren eine Wohltat. Nachher halte ich vielleicht noch meinen Kopf unter die Wasserpumpe. Umständlich kramte ich nach dem Tabakbeutel und schnupperte an dem aromatischen Kraut. Immerhin das dufte ich mir jetzt gönnen. Ich hatte mittlerweile sogar meine eigene Pfeife aus rötlichen Holz. Etwas zitterig stopfte ich die Pfeife und kramte nach den Zündhölzern. Überrascht schreckte ich aus als in der Dunkelheit eine Flamme aufloderte und das Gesicht des schnurrbärtigen Afrikaners erhellte. „Nehmen Sie meins.“ sagte er freundlich, mit seiner tiefen Stimme und hielt mir das goldene Feuerzeug hin. Paffend entzündete ich die Pfeife und reichte es ihm wieder. „Ich habe sie gar nicht gesehen.“ gab ich zu. „Schwarze Haut.“ gab er nur schulterzuckend zurück und entzündete sich selbst eine dicke Zigarre. Still saßen wir paffend da, ich wusste nicht was ich zu ihm sagen sollte. „Ich mag diese Abende nicht, zu viele nervige Leute. Zu viele Lügen und Geschwafel.“ setzte er im Plauderton an. „Aber das Essen, hervorragend. Und wie du Baku ruhig gestellt hast, köstlich. Auch wenn dieser Abend belanglos bleiben wird, zumindest euer Haus wird uns in Erinnerung bleiben.“ Verlegen paffte ich weiter. „Danke.“ Er atmete eine große Wolken Zigarrenrauch aus und reichte mir die Hand. „Wisal, aber hier nenne ich mich gerne Wilhelm.“ Ich erwiderte seinen kräftigen Händedruck. „Arren, und anders nenn ich mich selten.“ „Freut mich Arren.“ Wilhelm schnupperte was seinen Bart erzittern ließ. „Hm, wo hast du das Kraut her, das du da rauchst.“ „Oh das? Das hat mir Richter Jencken heute geschenkt.“ Lachend schüttelte Wilhelm den Kopf. „So geht der Fettsack also mit dem Zeug um, das ich ihm als Probe gegeben habe.“ Oh also konnten auch die Afrikaner ihn nicht leiden. „Na was soll's die zwölf Ballen wird er trotzdem kaufen wie ich ihn kenne.“ „Sie handeln also mit Tabak?“ „Unter anderem ja, was soll die Frage, wir handeln mit fast allem, nicht nur mit Sklaven.“ Wieder zog Wilhelm an seiner Zigarre. „Auch wenn ich welche auf meiner Tabakplantage beschäftige, der Handel ist mir nicht lukrativ genug, viel zu überlaufen und die Qualität zu variabel.“ Dann sah er zu mir und schüttelte lachend den Kopf. „Oh tut mir leid das ist sicher etwas über das ihr hierzulande wohl nicht redet. Ich geh dann lieber mal wieder rein und ertrage die Last der gesellschaftlichen Verantwortung.“ Wilhelm reichte mir den Rest seiner Zigarre, stand auf und ging durch die Gasse zurück zum Vordereingang.

Der Abend wollte einfach kein Ende nehmen, grade die Richter tranken als gäbe es kein Morgen. Wir waren alle erschöpft und wollten nur noch schlafen. Die Afrikaner hatten sich höflich verabschiedet, wie wir sie beneideten. Dann gingen auch die Spitalier und die Händler. Richter Jencken saß schwankend auf seinem Stuhl. „Diese Afrikaner, gehen zum Spaß haben in den Keller, warum ist dieser Becher schon wieder leer?“ „Weil Sie ihn ausgetrunken haben Richter Jencken.“ Versuchte ich möglichst höflich zu bemerken. „Jaja, wie auch immer, sag der kleinen mit dem süßen Arsch, das sie mir mehr bringen soll ja?!“ „Ich denke es wäre besser, wenn sie die Gesellschaft nun auflösen würden. Sie haben morgen doch noch wichtige Termine und sollten gut ausgeschlafen sein. Zudem möchten wir nicht gegen die Sperrstunde verstoßen.“ Grade den letzten Teil betonte ich etwas lauter da bereits zwei Herren in Mantel und Hut in der Tür standen. „Ausnahmegenehmigung!“ lallte Richter Jencken und kicherte wie ein alberner Schuljunge. Etwas hilflos schaute ich zu den beiden Protektoren. „Wir nehmen den werten Richter Jencken besser mit und bringen ihn sicher heim, dann könnt ihr in Ruhe zu sperren.“ Dankbar sah ich zu wie die beiden Jencken unter die Arme griffen und hinaus hievten. Träge folge ihnen der letzte Rest der Gäste.

„Dampft mein Schädel?“ fragte ich Lara als ich mit einer Mischung aus Wohltat und Pein den Kopf unter die Wasserpumpe im Hof hielt „Nein, warum fragst du?“ „Weil er sich so anfühlt.“ „Du hättest nicht auch noch das Bier eben trinken sollen.“ „Die Richter haben das ganze Fass bezahlt und nach dem Tag hab ich mir doch wohl einen Drink verdient. Die anderen Haben auch mit getrunken. Auch du.“ „Aber mir brummt jetzt nicht der Schädel.“ Es klang herablassend aber ich hörte das Lächeln in ihrer Stimme. Schwer atmend richtete ich mich auf und spürte wie das kalte Wasser an mir herablief und mein Hemd durchnässte. „Und, geht es jetzt besser?“ fragte Lara. „Ich glaube ich brauch nur etwas Schlaf, eine Woche oder so.“ antwortete ich träge und wollte mich Richtung Tür umdrehen. Überraschend kräftigt packte mich Lara am nassen Kragen und zog mich etwas zu sich herunter. Noch überraschter war ich als sie mich küsste. Mitten auf den Mund. Zögerlich lösten wir uns nach einer gefühlten, wundervollen Ewigkeit wieder von einander. Liebevoll drückte sie sich an mich und sah dann zu mir hoch. „Ich find dich auch gut. Und du bist es, der es drauf hat. Ohne dich wäre heute alles den Bach runter gegangen.“ Ich konnte nur lächeln, schöner konnte der Tag wirklich nicht enden.

So lange hatte ich lange nicht mehr geschlafen. Nicht eine Woche aber schon bis weit in den Tag hinein. Leider wachte ich in meinem eigenen Bett auf. Aber ich erinnerte mich noch gut an das Grinsen des alten Emels als ich ihm von diesem besonderen Abend erzählte. Dieses mal gönnte ich mir eine Pfeife und einen Tee, während ich noch träge auf dem Bett saß. Mein Zimmer kam mir plötzlich so klein vor. Als der aromatische Tabakrauch mir in die Nase stieg musste ich an den Afrikaner denken. Wilhelm, was für ein komischer Kauz. Aber ich ärgerte mich nun, nicht mehr mit ihm gesprochen zu haben. Nun würde ich ihn wohl nie wieder sehen. Was sollte ich nun tun? Wie sehr mich doch die tägliche Routine gefangen genommen hatte. Das Speiselokal sollte heute später öffnen, Dante hatte darauf bestanden das ich mich ausruhe, er würde sich schon um alles kümmern, bis ich komme. Hatte er nun endlich seine Chance Kommandos zu geben? Sorgsam klopfte ich die Pfeife aus und kippte den Rest Tee hinunter. Bloß nicht wieder in trübe Gedanken verfallen.

Als ich die Küche durch die Hintertür betrat, war es überraschend ruhig. Nur Dante stand am Herd und briet etwas, aber, dieser Duft. „Was bereitest du da zu Dante?“ „Schrotterpfanne.“ Ich blickte Dante an als hätte ich mich verhört. „Hat der Afrikaner bestellt, fand er wohl gut gestern. Sag mal machst du zwei oder drei Unzen Breitkraut rein? Hey, wo willst du hin? Ich hab dich was gefragt. Himmel, dann nehm ich halt zwei.“ Ich war bereits durch die Tür zum Gastraum. Wilhelm saß an dem kleinen Tisch am Fenster und trank Früchte-Saft. Als er mich sah lächelte er freudig und winkte mich heran. Noch den Löffel im Mund, saß neben ihm Sarabi und schien plötzlich etwas verschüchtert zu sein. In der Schüssel vor ihr, sah ich Birnen und Couscous. Ich lächelte, musste fast grinsen, wusste aber nicht was ich sagen sollte. Die beiden zu sehen, erfüllte mich mit Freude, auch wenn ich nicht sagen konnte weshalb. „Arren, lange nicht gesehen!“ tönte Wilhelm mit tiefer Stimme. Verwundert sah ich ihn an, bis mir aufging, das er einen Scherz gemacht hatte. „Ähm ich hätte nicht gedacht euch so schnell wieder zu sehen. Ehrlich gesagt das wir uns je wieder sehen. „Ach weißt du, unsere Sarabi hat so von der Nachspeise geschwärmt und ich hatte ebenfalls Hunger, also dachten wir uns, warum nicht? Die Konferenz war eh dröge und ermüdend. Sollen sich Mawuko und Zula darum kümmern.“ Freudig sah er wie Dante einen Teller mit heißer Schrotterpfanne herein brachte und vor ihm ab stellte. Herzhaft verbrannte Wilhelm sich am ersten Bissen den Mund. Nachdem er den Brand mit Saft gelöscht hatte wurde er aber etwas ernster. „Gestern Abend wurde gemunkelt das der Mann dem dieses Haus gehört krank sei, stimmt das?“ „Ja ganz recht, leider ist Herr Hagermann an einer Lungenentzündung erkrankt.“ „Ha!“ laut knallte er die Hand auf den Tisch das Sarabi erschrak. „Hab ich dir doch gesagt das er nicht sein Sohn ist, du und Zula schulden mir nun 20.000 Dinare!“ Kurz schockiert von dieser Summe, sah ich zwischen den beiden hin und her. „Wir hörten auch, dass dieser wundervolle Abend gestern überraschend, spontan geplant wurde.“ „Ja das stimmt ebenfalls.“ „Nun wir würden uns gerne bedanken und damit meine ich auch Mawuko und die anderen die jetzt nicht hier sein können. Können wir mit Herrn Hagermann sprechen? Natürlich erst wenn ich aufgegessen habe.“

Lara war genau so schockiert wie ich, als sie sich hastig in ihr Zimmer zurück zog, um sich schnell etwas ordentliches anzuziehen. Herr Hagermann saß in seinem Bett und hatte grade eine kräftige Brühe gegessen, die Dante für ihn gekocht hatte. Wenn auch geschwächt, sah er die Afrikaner mit seinem üblichen starken Blick an.

„Ich habe zu danken, das sie mein bescheidenes Haus beehrt haben.“ gab er noch immer etwas krächzend an. „Trotzdem möchten wir ihnen für ihre Gastfreundschaft danken, das ist so Sitte bei uns. Und da sie uns einen netteren Empfang bereitet haben als die Richter, halten wir es nur für angemessen.“ Sarabi stellte einen blau lackierten Tontopf neben Hagermann. „Diese Salbe wird ihnen bei ihrer Gesundung helfen.“ Wenn auch ihr borcisch nicht gut war, ihre Stimme ließ alles an mir wohlig schauern. „Das war uns allen ein wichtiges Anliegen, das der Herr dieses Hauses bald wieder auf die Beine kommt.“ Nahm Wilhelm das Wort auf. „Und natürlich möchten wir sie mit einigen kleine Wertsachen beschenken. Herr Hagermann, egal ob Tripol oder Toulon, ich habe viele Freunde denen ich ihr Lokal gerne empfehlen werde. Und sofern die Konferenz ein gutes Ende findet hoffe ich das diese auch eine Gelegenheit bekommen sie hier aufzusuchen.“

Was Wilhelm unter „kleinen Wertsachen“ verstand, hätte einen reichen Mann sicher beleidigt. Aber als nach und nach Pakete und Lieferungen eintrafen, konnten wir es alle kaum glauben. Gewürze, Tabak, exotische Gefäße, sogar ein Buch über Afrikanische Küche. Allerlei Kleidung aus feinem, blauen Stoff. Sogar eine Schatulle mit geprägten Dinaren, nicht 20.000 aber trotzdem viel. Aber meisten freute es uns alle, dass Herr Hagermann wieder wohl auf war, in der Küche stand und versuchte das Chaljapin nach zu kochen.

Ich hatte von Hert schon eine Weile nichts gehört. Auch beim Arbeitsvermittler hatte ich ihn nicht auffinden können, er hatte sich so gut gemacht da wollte ich ihn wieder bei uns arbeiten lassen. Dante riet mir, ich sollte einmal durch die Garküchenstraße gehen. Wie er darauf kam? Zu meiner Überraschung fand ich Hert dort, fröhlich pfeifend stand er hinter einem kleinen Stand und grillte kleine Fleischspieße über einem Kohlefeuer. Und er war nicht alleine. „Himmel Hert hier hätte ich dich als letztes erwartet!“ „Hey Arren altes Haus, komm her das musst du probieren!“ Freudig streckte er mir einen dieser Spieße hin, wunderbar gegrillt, zartes Fleisch, saftig, und durch das Feuer außen knusprig, für so etwas würde ich an einem kalten Tag meilenweit gehen. Und erst die Marinade! Mit vollen Mund fragte ich erneut. „Hert was tust du hier? Und die Kleine, die Dicke, der Alte und Fleischer.“ Hert Grinste mich an. „Na an dem Abend, als du und deine Süße rumgeknutscht habt und wir vier so bei Freibier und Restessen zusammen gesessen hatten, hatten Fina, Gera, Tobalt, Loke und ich die beschwipste Idee, auch was auf die Beine zu stellen. Also nahmen wir die Kohle die wir verdient hatten und besorgten uns hier einen Stand. Loke kennt sich mit Fleisch aus, also machen wir diese voll leckeren Spieße. Aber wir Grillen auch Erdknollen und Gera macht diese super tolle heiße Suppe aus Beeren und was sie sonnst so auf dem Markt findet. Dazu machen wir dann so kleine gekochte Teigstreifen. Man ich sag dir die Leute fressen es uns aus der Hand. Manche kommen zwar nur wegen Fina, aber sobald sie unser Essen kosten, lieben sie auch das. Wir sparen jetzt noch und holen uns sobald es geht einen größeren Stand, wo Leute sich auch mal hinsetzen können.“ Als ich die fünf so sah musste ich lächeln. So schnell kann sich das Leben von Menschen verändern. Eben noch von der Hand in den Mund und morgen füttert man schon den Mund anderer. „Na dann geb mir mal was von dieser berühmten Früchtesuppe und lass einen Experten bewerten ob die was taugt.“ Wir lachten, die Suppe war hervorragend und der knallharte Geschäftsmann Hert knöpfte mir sogar die vollen drei Wechsel dafür ab. Auch die vier für den Spieß. Aber ich bezahlte sie gerne.


(Quelle: aus dem alten Degenesis-Forum)


Die Fortsetzung der Reihe: